Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Querschläger

Querschläger

Titel: Querschläger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
Vom Netzwerk:
hörte sie auch wieder Manuela Strohtes verwunderte Stimme: Unsere beiden anderen Söhne waren auch auf dem Clemens-Brentano-Gymnasium, aber mit ihnen hat es nie irgendwelche Probleme gegeben.
    »Stimmt es, dass Nikolas Hrubesch auch künstlerisch begabt gewesen ist?«, riss Verhoevens nächste Frage sie aus ihren Überlegungen.
    Sven Strohte lachte laut auf. »Woher haben Sie das denn?«
    »Na ja«, entgegnete Verhoeven. »Nach allem, was man so hört, soll er viel gemalt und sich darüber hinaus auch schriftstellerisch betätigt haben.«
    Sven Strohte sah aus, als befürchte er, auf den Arm genommen zu werden. »Von Schriftstellerei weiß ich nichts«, sagte er. »Aber dieses Zeug, das er Kunst nannte, war nichts weiter als stumpfsinniger Müll, der zufällig den Geschmack seines Kunstlehrers traf.« Er blickte versonnen ins Leere, bevor er nach kurzem Überlegen hinzufügte: »Nicht jeder, der sich selbst für kreativ oder künstlerisch begabt hält, ist es auch.«
    »Eine letzte Frage noch«, sagte Verhoeven, und Sven Strohtes Erleichterung über diese Ankündigung war mit Händen zu greifen. »Hätten Sie Nikolas eine derartige Bluttat zugetraut? Vorher, meine ich.«
    »Menschen tun andauernd Dinge, die man ihnen nie zugetraut hätte, denken Sie nicht?«
    »Oh ja, das tun sie allerdings«, entgegnete Verhoeven ironisch, und sein Blick verriet, dass er am liebsten noch deutlicher geworden wäre: Dir hätte ganz sicher auch niemand zugetraut, dass du im Angesicht des Todes zum furchtlosen Helden mutierst, mein Junge. »Tja, ich schätze, das war’s dann fürs Erste«, sagte er, und Sven Strohtes Gesichtsausdruck legte nahe, dass er auch den Subtext dieses letzten Satzes sehr genau verstanden hatte. Wir beide sind noch nicht fertig miteinander.
    Sie waren kaum aus dem Zimmer, als auch schon das Klavierspiel wieder einsetzte und Winnie Heller in ihrer ursprünglichen Annahme bestätigte, Sven Strohte habe sich durch ihren Besuch vermutlich in der Ausübung seiner Kunst gestört gefühlt.
    Verhoeven, der bereits ein paar Schritte vorweg war, blieb stehen. »Unser Held spielt ziemlich gut, nicht wahr?«, bemerkte er, nachdem er eine Weile schweigend und durchaus andächtig zugehört hatte. Und mit einem leisen Kopfschütteln fügte er hinzu: »Gehört habe ich das schon. Aber ich komme im Moment nicht darauf, was es ist.«
    »Chopin«, entgegnete Winnie Heller wie aus der Pistole geschossen. »Die Ballade in Fis.«
    Ihr Vorgesetzter hob überrascht den Kopf. »Sie kennen es?«
    Sie bemühte sich um äußerliche Arglosigkeit, auch wenn ihr durchaus bewusst war, dass sie gerade einen gravierenden Fehler begangen hatte. Eine der wenigen persönlichen Fragen, die Verhoeven ihr in dem knappen Jahr, das sie nun zusammenarbeiteten, gestellt hatte, war die Frage gewesen, ob sie klassische Musik möge. Gleich am ersten Tag war er damit über sie hereingebrochen, und auch wenn die Frage damals wahrscheinlich nichts als einen harmlosen Versuch dargestellt hatte, mit einer neuen Mitarbeiterin Konversation zu machen, war Winnie Heller doch überzeugt, dass Verhoeven sich genau an ihre Antwort erinnerte. Nein, hatte sie gesagt, und er hatte ihr geglaubt, bis … Ja, bis vor ein paar Wochen, als er sie aus aktuellem Anlass noch einmal gefragt hatte, ob sie klassische Musik möge. Mozart, um genau zu sein. Auch bei dieser Gelegenheit hatte sie sich selbst verraten und unbedacht von ihren Fischen geplaudert, die Namen wie Papageno, Da Ponte und Despina trugen. Despina und Da Ponte?, hatte Verhoeven gefragt und sie auf eine ganz ähnliche Weise angesehen wie jetzt auch. Das ist ja originell. Mögen Sie Mozart? Und genau wie an ihrem ersten Tag bei der Mordkommission hatte sie geantwortet, dass sie klassische Musik hasse. Dabei hatte sie noch nicht einmal das Gefühl gehabt, zu lügen, denn ihr Verhältnis zur Musik war tatsächlich mehr als heikel, aber jetzt war es gerade diese Widersprüchlichkeit, die sie in die Bredouille brachte. Sie starrte stur geradeaus, bis ihr bewusst wurde, dass Verhoeven noch immer auf eine Antwort von ihr wartete. »Bitte?«, fragte sie, um Zeit zu gewinnen.
    »Das Stück«, wiederholte ihr Vorgesetzter mit entmutigender Bereitwilligkeit. »Es hat mich überrascht, dass Sie es kennen.«
    »Meine Schwester hat das auch gespielt«, entgegnete sie, weil ihr auf die Schnelle einfach keine andere Erklärung einfallen wollte. Nichts als die Wahrheit.
    Verhoeven schenkte ihr ein anerkennendes Nicken. »Dann ist

Weitere Kostenlose Bücher