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Querschläger

Querschläger

Titel: Querschläger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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verfolgt.«
    Sven Strohtes Gesichtszüge verhärteten sich unter dem offenkundigen Sarkasmus, der aus Verhoevens Worten triefte, und Winnie Heller fragte sich, warum ihr ansonsten stets freundlicher und besonnener Chef es in dieser Situation so gar nicht für angebracht hielt, nett zu sein. Immerhin war dieser Junge dort ein Opfer, das mit einem zutiefst traumatisierenden Erlebnis fertig werden musste. Oder nicht?
    »Nikolas war kein Irrer«, widersprach Sven Strohte ihrem Vorgesetzten unterdessen mit einem Selbstbewusstsein, das Winnie Heller durchaus bemerkenswert fand. Umso mehr, da Nikolas Hrubesch den Jungen ganz offensichtlich in die Kategorie »leicht zu kontrollieren« eingestuft hatte.
    »Nein«, stimmte Verhoeven ihm zu. »Das war er wohl nicht. Aber um noch einmal auf diesen Warmwasserboiler zurückzukommen …«
    »Nehmen Sie niemals Dinge wahr, ohne sich ihrer bewusst zu sein?«, fiel Sven Strohte ihm umgehend wieder ins Wort, während Winnie Heller noch immer über die Frage nachgrübelte, ob dieser blasse Junge dort am Flügel tatsächlich leicht zu kontrollieren war. Normalerweise. Wenn er sich nicht gerade einer geladenen Waffe gegenübersah, die ihn dazu brachte, Dinge zu tun, für die er im Alltag niemals den Mut aufbringen würde. »Haben Sie noch nie in Ihrem Leben etwas gesehen und anschließend sofort wieder vergessen? Etwas, das Ihnen irgendwann, wenn es die Situation erfordert, wieder einfällt?«
    »Doch, ja, natürlich«, entgegnete Verhoeven ungerührt. »Allerdings bin ich mir keineswegs sicher, ob mir diese Dinge ausgerechnet in einem Moment akuter Todesangst wieder einfallen würden.«
    Sven Strohte wandte den Kopf ab. Entnervt, wie es Winnie Heller scheinen wollte.
    »Dann können wir also festhalten, dass Sie den bewussten Raum beziehungsweise das bewusste Versteck mit voller Absicht wählten?«, insistierte Verhoeven.
    Der Junge überlegte einen Moment. »Ich weiß nicht«, sagte er, nun wieder mit beinahe kindlichem Ausdruck. »Es war mehr so eine Art Instinkt, denke ich.«
    »Na schön«, gab sich Verhoeven mit nur schlecht verhohlenem Unwillen zufrieden. »Und was haben Sie getan, nachdem Sie – bewusst oder unbewusst – das besagte Versteck aufgesucht hatten?«
    »Was glauben Sie denn?« Sven Strohte hob den Blick und sah seinen Besuchern zum ersten Mal im Verlauf ihres Gespräches für längere Zeit in die Augen. »Ich habe mich ganz still verhalten und abgewartet.«
    »Und was hörten Sie, während Sie warteten?«
    »Schritte.«
    »Was für Schritte?«
    Sven Strohte schüttelte den Kopf. »Ich verstehe Ihre Frage nicht.«
    »Hatten Sie den Eindruck, dass die Person, zu der diese Schritte gehörten, auf der Suche nach Ihnen war?«
    »Ich nehme es an.«
    Verhoeven zog die Augenbrauen hoch. »Sie nehmen es an?«
    »Nik hat mich bedroht, okay?«, fauchte der Junge, und Winnie Heller registrierte verwundert, dass Sven Strohte den Attentäter, der zunächst kaltblütig hinter seinen fliehenden Mitschülern her gefeuert und anschließend auch ihn selbst beinahe getötet hatte, mit einer Art Kosenamen bedachte. Nik hat mich bedroht. »Er hat mich bedroht, und er wollte mich erschießen. Ist es da nicht naheliegend, dass er nach mir suchte?«
    »Tja, und Sie sind nun mal ein echter Freund des Naheliegenden, was?«, stichelte Verhoeven.
    Sven Strohte stöhnte und stemmte den Ellenbogen auf den Deckel seines Flügels. »Was wollen Sie eigentlich von mir?«
    »Die Wahrheit.«
    »Die habe ich Ihnen erzählt.«
    »Wirklich?«
    »Ja.« In die Stimme des Jungen stahl sich abermals ein Hauch von Gereiztheit. »Wirklich.«
    »Sie haben den Kollegen erzählt, dass Sie außer den Schritten auch eine Stimme gehört haben …«
    »Ja.«
    »Haben Sie diese Stimme erkannt?«
    Winnie Heller war sich nicht sicher, aber sie hatte den unbestimmten Eindruck, dass Sven Strohtes Pupillen weiter wurden, als er nickte.
    »War es die Stimme von Nikolas Hrubesch?«
    Der Junge runzelte die Stirn. »Wessen Stimme sollte es denn sonst gewesen sein?«
    Doch Verhoeven hütete sich gewissenhaft, auch nur mit einer Silbe auf diese Frage einzugehen. Stattdessen sagte er: »Konnten Sie verstehen, was er sagte?«
    Er!, dachte Winnie Heller. Geschickt ausgedrückt!
    »Nein.«
    »Und Sie hielten das, was Sie hörten, für ein Selbstgespräch Ihres Klassenkameraden?«
    Der Junge hielt Verhoevens Blick eine erstaunliche Weile stand, bevor er schließlich doch noch wegsah. Zur Terrassentür, hinter der ein milder Herbstregen

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