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Querschläger

Querschläger

Titel: Querschläger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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nach Hause nahm, weil er ein Date wollte, ein zweites Date. Idiotin, die sie war! Aber diesen Zahn hatte er ihr schnell gezogen! Lukas Wertheim war noch nie einer von denen gewesen, die unnötig herumredeten. Es geht um meine Deutschnote, hatte er gesagt, kaum dass sie durch die Tür zu seinem Zimmer gewesen war. Und natürlich hatte sie sofort gewusst, worauf er hinauswollte, auch wenn sie damals noch keine Ahnung gehabt hatte, was für ein machtvolles Druckmittel dieser hübsche Junge mit dem unwiderstehlichen Betörerblick gegen sie in der Hand hielt.
    Sie schluckte und starrte wieder zum anderen Ufer hinüber. In ein anderes Bundesland.
    Aber wer konnte denn auch damit rechnen, dass einer eine Kamera mitlaufen ließ. Bei so was! Was habe ich mit deiner Deutschnote zu schaffen?, hatte sie gefragt und gehofft, dass er ihr ihre Arglosigkeit abnehmen würde. Und er hatte gelächelt und geantwortet, dass sie doch sicher wisse, dass ihre Patentante die unbequeme Angewohnheit habe, neben den üblichen Kursarbeiten am Ende eines jeden Monats einen von diesen Tests zu schreiben, aus deren Noten sie dann ihre sogenannten Epochalnoten zusammenbastele. Sie hatte »Nein« gesagt, und er hatte in schneidendem Ton geantwortet: »Dann weißt du es jetzt.«
    Es handelt sich dabei um vollkommen öde Dinge, weißt du, Abfragen zu Lektüren und diesem ganzen anderen Scheiß, reiner Lernstoff eben, und in diesem Zusammenhang wäre es sehr hilfreich, wenn man die Fragen wüsste. Vorher, meine ich. Sie hatte etwas betont Harmloses entgegnet, so etwas wie: Tja, mein Lieber, leider können wir alle nicht hellsehen. Und dann hatte Lukas Wertheim plötzlich die Kassette in den Händen gehalten, eins von diesen total antiquiert anmutenden Camcorderdingern. Und das in einer Zeit, in der alle Bilder digitalisiert waren, eine Folge von Ziffern, nichts weiter …
    Sei doch froh, rief sie sich selbst zur Ordnung, immerhin könnte es dir im Nachhinein den Arsch retten, dass man diese alten Teile nicht so ohne weiteres in alle Welt versenden kann. Stell dir vor, er hätte sein Handy benutzt. Stell dir vor, er hätte euer kleines Filmchen per Tastendruck an ein paar Hundert Kumpels verschicken können! Jessica Mahler spürte, wie ihr übel wurde. Nichtsdestotrotz tat sie sich schwer damit, zu akzeptieren, dass es irgendwo da draußen etwas gab, das man in der Hand halten konnte, sichtbar gewordene Schande. Und noch immer schossen ihr Tränen der Scham und der Wut in die Augen, wenn sie auch nur daran dachte, wie Lukas das Band eingelegt und ihr die Aufnahmen vorgespielt hatte! Aber, aber, hatte er gesagt und sie dabei ganz sacht am Arm berührt. Wer wird denn gleich heulen? Ich meine, soooo neu ist das, was du da tust, ja nun auch wieder nicht, auch wenn es dir ganz offensichtlich sehr wohl neu gewesen ist. Ich meine, ich will jetzt nicht rumnörgeln oder so, aber … Sagen wir mal so: Rein körperlich war’s echt nicht der Hit, wie dir nicht entgangen sein dürfte. Aber zum Glück gibt’s da noch was anderes, das du für mich tun könntest … Ein mehr als anzüglicher Blick aus den braunen Betöreraugen. Und damit wären wir auch schon wieder bei diesen Tests, die uns deine Patentante andauernd schreiben lässt. Ich meine, ich bin nicht blöd oder so, aber da ist ja auch noch der Sport, und dadurch fehlt mir ganz einfach die nötige Zeit, um mich anschließend noch stundenlang hinzusetzen, bloß um mir den Namen von Effi Briests Hund oder Goethes Geburtstag oder irgendwelchen anderen Mist draufzuschaffen, verstehst du?
    »Und was erwartest du jetzt von mir?«, hatte sie gefragt. »Was soll ich tun?«
    Und Lukas Wertheim hatte sich zu ihr heruntergebeugt und geflüstert: »Ich bin sicher, dass dir da irgendwas einfallen wird.«
    Jessica Mahler strich sich die Haare zurück, die der auffrischende Westwind in Unordnung gebracht hatte. Der BMW oder die Hütte, resümierte sie, und wenn sie ehrlich war, tendierte sie eher zu der Hütte. Sie konnte nicht sagen, warum, höchstwahrscheinlich, weil sie gespürt hatte, dass Lukas sich dort wohl und sicher gefühlt hatte. Dass er sich wie selbstverständlich im Bett seines alten Herrn suhlte und obendrein auch noch dessen Uraltcamcorder zweckentfremdete. Aber wo genau stand dieses Scheißding von einem Wochenendhaus eigentlich? Jessica Mahler zupfte einen Splitter aus der Sitzfläche der Bank, auf der sie saß. Sie hatte eine ungefähre Vorstellung der Richtung, in die sie gefahren waren, und sie

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