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Querschläger

Querschläger

Titel: Querschläger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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den Tisch herum und auf die Tür zu. »Wir müssen natürlich auch noch überlegen, was wir mit den restlichen Kleidern machen«, sagte sie in derselben Lautstärke wie zuvor, während sie langsam die Tür zur Diele aufschob. »Am besten, wir benachrichtigen die Caritas oder das Rote Kreuz.«
    »Und?«, fragte ihr Mann gespannt. »Kannst du schon was sehen?«
    »Oh, nein, nein«, antwortete Nicole Herrgen in aufgekratztem Ton. »Tut mir wirklich leid, aber das ist leider nicht der Fall und …«
    »Was zur Hölle redest du da für einen Blödsinn zusammen?«, beschwerte sich Dieter Herrgen, dessen Geduld allmählich an ihre Grenzen stieß.
    Und sie antwortete: »Nein, nein, das … Da bin ich ganz Ihrer Meinung.« Dann spähte sie um die Ecke in die Diele hinaus, die jedoch genauso düster und verlassen wirkte wie vorhin. »Dieter?«
    »Ja?«
    »Ich glaube, hier ist doch nichts.«
    »Wo bist du gerade?« »Im Flur.«
    »Hast du im Bad nachgesehen?«
    »Wieso im …«, setzte Nicole Herrgen an, doch im selben Augenblick fiel ihr auf, dass die Tür zur Küche offen stand. Dabei wusste sie genau, dass sie die Tür geschlossen hatte, vorhin. Sie fasste ihre Vase noch ein bisschen fester und machte ein paar zögerliche Schritte auf die Wohnungstür zu. Fliehen oder nachsehen?
    Sicherheit oder Risiko?
    Ein neuerliches Geräusch nahm ihr die unbequeme Entscheidung ab. Doch dieses Mal war das Geräusch hinter ihr. In ihrem Rücken …
    Vor lauter Schreck ließ Nicole Herrgen das Handy fallen. Es krachte auf den gut gepflegten Parkettboden hinunter und schlitterte dort noch rund einen halben Meter weit, bevor es gegen die Wandleiste stieß und liegen blieb. Sie hörte die Stimme ihres Mannes, verzerrt und unendlich fern, doch ihr blieb keine Gelegenheit, sich nach dem rettenden Gerät zu bücken.
    Als sie den Kopf hob, blickte sie geradewegs in die Mündung einer Pistole.
    3
    »Winnie!«
    Herrgott noch mal, war denn an diesem vermaledeiten Morgen die ganze Welt hinter ihr her?!
    »Hey, Winnie!«
    »Was ist?«
    »Gut, dass Sie da sind«, rief Oskar Bredeney, indem er sich an ihr vorbeidrängte und ihr einen Stapel Akten auf den Schreibtisch knallte. »Verhoeven hat eben angerufen. Er sagt, er könnte Sie leider nicht erreichen.«
    Winnie Heller schenkte dem altgedienten Kollegen ein schuldbewusstes Lächeln und schaltete eilig ihr Handy wieder ein. Und warum auch nicht? Jetzt, da das Verhängnis in Gestalt von Hermann-Joseph Lübke über sie hereingebrochen war, stand ihrer Erreichbarkeit ohnehin nichts mehr im Weg.
    »Ja, ja«, seufzte Bredeney, indem er sie mit diesem verständnisvoll-väterlichen Blick bedachte, von dem sie ihn trotz wiederholter Beschwerden einfach nicht hatte abbringen können und den sie ihm inzwischen nicht zuletzt im Hinblick auf sein Alter auch zugestand. »Ich vergesse auch immer, das blöde Ding wieder einzuschalten.«
    Sie nickte nur. »Hat Verhoeven gesagt, was er wollte?«
    Bredeney bejahte. »Er ist anscheinend ein bisschen spät dran und fragt, ob es Ihnen etwas ausmachen würde, ihn bei Lukas Wertheims Freund zu treffen.«
    »Geht klar«, sagte sie.
    »Ach ja«, sagte Bredeney, »und das hier sollte ich Ihnen auch noch von ihm geben.« Er trat an den Schreibtisch und hielt ihr einen Zehneuroschein unter die Nase. Den Zehneuroschein, aller Wahrscheinlichkeit nach.
    »Was soll das sein?«, fragte sie so unbeteiligt, wie es ihre Wut über diesen geschickten Schachzug ihres Vorgesetzten erlaubte.
    »Keine Ahnung«, antwortete Bredeney. »Verhoeven hat ihn mir gestern Abend überreicht und gemeint, den hätten Sie ausgelegt. Sie wüssten dann schon …«
    Oh ja, dachte Winnie Heller, ich weiß schon! Das war es ja wohl, was man passiv-aggressives Verhalten nannte. Zermürbungstaktik. Sabotage durch Unterlassung. Dominanz durch Ignoranz …
    »Ist was?«, wollte Bredeney auf der anderen Seite des Schreibtischs wissen, indem er sie über seine halben Brillengläser hinweg aufmerksam musterte.
    »Durchaus nicht«, gab sie zurück. Ein wenig zu schnippisch vielleicht. Aber wer wollte ihr das in dieser Situation verdenken? »Was sollte denn sein?«
    »Sie sehen aus, als hätten Sie sich über irgendwas geärgert.«
    »Konzentration«, entgegnete sie hastig. »Wie weit ist eigentlich die Ballistik inzwischen?«
    »Was interessiert euch denn?«
    »Die Projektile aus Raum 304. Wir müssen Lukas Wertheim als Opfer unseres zweiten Schützen ausschließen.«
    »Moment«, sagte Bredeney und verschwand nach

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