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Querschläger

Querschläger

Titel: Querschläger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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wo ich bleibe, und was Einfaches bekomme ich zur Not auch ganz ohne weibliche Hilfe hin. Dazu müsste ich allerdings an deinen Herd …« Pause. »Selbstverständlich könnte ich auch einfach drauflos quatschen. Ohne Essen und von hier aus, meine ich. Du weißt schon, meine Motive erläutern, ’n bisschen Small Talk machen, um die Atmosphäre aufzulockern. So richtig wie aus ’m Lehrbuch, verstehst du? Aber ich bin nun mal ein diskreter Mensch und versuche, Rücksicht zu nehmen auf deine Nachbarn, die sich vielleicht befremdet fühlen, wenn sich zwei Bullen so direkt vor ihrer Nase über Gott und die Welt austauschen und …« Er unterbrach sich und hustete eine Weile laut vor sich hin.
    Winnie Heller schüttelte den Kopf. Es war ihr noch immer nicht gelungen, herauszufinden, ob dieser Husten, der Lübke so oft plagte, ein Indiz für Nervosität war oder vielleicht doch eine körperliche Ursache hatte, aber wenn sie ehrlich war, tippte sie auf die letztere Möglichkeit. Lübke lebte nicht gerade gesund, er trieb keinen Sport, rauchte beim Pokern irgendwelche stinkenden Zigarillos, die sie nicht ausstehen konnte, und war überdies auch einem guten Tropfen nicht grundsätzlich abgeneigt. Dazu hatte er etliche Kilos zu viel auf den Rippen und trank Unmengen an Bohnenkaffee, wenn er arbeitete. Jede einzelne Tasse mit drei Stück Würfelzucker darin …
    »Wie ich bereits sagte, nehme ich Rücksicht«, wiederholte er, als sein Hustenanfall verebbt war, und Winnie Heller versuchte vergeblich, sich ein Röntgenbild seiner Herzkranzgefäße vorzustellen. »Aber, verdammt noch mal, Mädchen, allmählich schlafen mir hier wirklich die Füße ein! Außerdem zieht es in diesem Treppenhaus wie Hechtsuppe, und wenn ich mich erkälte, hilft es uns auch nicht wei …« Er unterbrach sich erneut. »Scheiße noch mal, aber doch nicht ausgerechnet jetzt!«, hörte Winnie Heller ihn kurz darauf fluchen. Dann nahm sie ein Keuchen wahr, als Lübke mit der gewohnten Mühe auf die Beine kam. »Hör zu, Mädchen, wenn du da drin bist«, sagte er so dicht am Holz der Tür, dass sie erschreckt die Beine an den Körper zog. »Ich werd’ gerade angepiepst. Scheint was Eiliges zu sein. Also …« Sie lauschte in die Stille, während Lübke nach Worten suchte. »Na, wie auch immer, ich muss jetzt los«, brummte er, als er keine fand. Zumindest keine, die irgendwas erklärten. »Ich melde mich, okay?«
    Dann hörte sie seine schweren Schritte die Treppe hinab poltern.
    7
     »Hendrik!«
    Verhoeven, den auch mehr als zwei Stunden nach dem Mittagessen noch immer die Frage umtrieb, wie um alles in der Welt seine Frau auf die Schnapsidee verfallen war, Dominik Rieß-Semper ausgerechnet an seinem ersten freien Tag seit Wochen auf eine Portion Cannelloni al Forno – zu allem Überfluss auch noch eins seiner ausgemachten Leibgerichte – einzuladen, hob den Kopf. Etwas an Silvies Tonfall war anders als sonst, ungewohnt. Und … Ja, irgendwie alarmierend. »Was ist passiert?«
    »Komm rein und sieh dir das an!«, rief sie quer über den Rasen, und selbst auf die Entfernung glaubte er zu sehen, dass sie außergewöhnlich blass war. »Sofort!«
    »Was denn?«
    Sie antwortete nicht, sondern war bereits wieder im Haus verschwunden, aber Verhoeven kannte seine Frau gut genug, um keine Sekunde länger zu zögern. Er ließ den Spaten genau an der Stelle fallen, an der irgendwann einmal ein kleiner Steg als Beobachtungspunkt für Gold- und sonstige Fische ins Wasser ragen sollte, und rannte zur weit geöffneten Terrassentür hinüber.
    »Ich bin hier«, rief Silvie, als sie ihn hörte.
    Verhoeven streifte die schlammigen Schuhe von den Füßen und rannte weiter.
    In der Küche lief der Fernseher, was nicht ungewöhnlich war. Silvie schaltete ihn oft ein, wenn sie das Essen vorbereitete oder den Abwasch erledigte. Jetzt allerdings tat sie nichts dergleichen, sondern starrte wie gebannt auf den Bildschirm.
    »Sieh dir das an«, wiederholte sie, wobei sie in einer hilflosen Geste auf den Apparat deutete, der mittels einer Halterung an der Wand angebracht war.
    Verhoeven folgte der Aufforderung seiner Frau, und das Erste, was er registrierte, war Blut. Menschen, die verletzt waren. Er trat einen Schritt zurück und lehnte sich gegen den Stuhl, auf dem erst vor rund zwei Stunden Dominik Rieß-Semper gesessen und mit großem Appetit eine mehr als üppige Portion Cannelloni verschlungen hatte. Silvie hatte einen Nachrichtensender eingeschaltet. Verwackelte Aufnahmen

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