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Quest

Quest

Titel: Quest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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richtete seinen Blick auf die Vitrine, schien ganz zu versinken im Anblick des kolossalen grauen Horns. »Ich sehe ein blutrünstiges, gefährliches Tier. Ein Tier, das keine Skrupel kennt. Es tut, was es tun mu ss . Es folgt in allem seinen Instinkten. Es tötet. Es fri ss t. Es paart sich, wenn die Zeit dafür ist.«
    Seine letzten Worte schienen in der Luft hängenzubleiben, nicht zu wissen, wohin sie sollten.
    Vileena spürte, wie ihr hei ss wurde, unwohl beinahe, als breche genau in diesem Augenblick Blitzfieber bei ihr aus. Das war vielleicht keine so gute Idee gewesen. Sie schritt weiter zur nächsten Vitrine, in der auf einem gläsernen Ständer die vermutlich grö ss te Kostbarkeit aus Quests Sammlung lag. Kaum so gro ss wie ein Handteller, sah es auf den ersten Blick aus wie ein Stück samtenen Pelzes, doch wenn man genau hinsah, entdeckte man changierende Muster in zarten Farben, auf vielfältige Weise ineinander verwoben.
    »Das ist ein Haarteppich«, erklärte sie und versuchte, nicht so zu klingen, a ls sei ihr das eben peinlich gewesen. »Ein wahrhaftes Kunstwerk, wenn es so etwas wie Kunst gibt. Ich habe den Namen des Künstlers vergessen, aber er lebt auf Gheerh selbst, verkehrt bei Hofe und ist jedenfalls sagenhaft bedeutend.«
    »Ein bi ss chen klein für einen Teppich, oder?« meinte Smeeth und betrachtete das erlesene Stück stirnrunzelnd. »Ist das wirklich aus Haar gemacht?«
    »Aus Frauenhaar, ja. Es gibt nur ganz wenige davon. Der Künstler sagt, da ss es ein ganzes Leben lang dauern würde, einen Teppich von gewöhnlichen Abmessungen herzustellen. Schon an diesem kleinen Teil hat er fast ein Jahr gearbeitet.«
    Smeeth wandte seinen Blick von der Vitrine ab und sah sie an. »Einen wahrhaft wunderbaren Haarteppich könnte man aus Eurem Haar knüpfen, Edle Vileena«, sagte er langsam. »Falls man nichts anderes zu tun wü ss te.«
    Sie schluckte. Das war ja… Sie wandte sich ab, ging zur nächsten Vitrine, schauderte beim Anblick der vielen Vitrinen, die noch kamen.
    »Eine holografische Skulptur«, sagte sie tonlos, »eine hervorragende Kopie des Originals, das in der Gro ss en Galerie von Toyokan stand und beim Beginn der Invasion zerstört wurde. Der Titel lautet Die Umschlingung .« Und dieser Titel beschrieb genau, was zu sehen war, zwei verschieden gemusterte Bänder, die einander auf die phantastischste Weise umwanden und umschlangen, mit Übergängen und
    Perspektiven, wie sie nur in holografischen Skulpturen möglich waren.
    »Umschlingung«, wiederholte der Mann aus einem versunkenen Zeitalter und trat dabei dicht an sie heran, dichter als schicklich war, und sie hörte ihr Herz schlagen, als sie seinen Atem in ihrem Nacken spürte.
    Sie holte Atem, wandte den Kopf zur Seite, sah ihn, Auge in Auge, aus nächster Nähe. »Ich habe das Gefühl, Ihr seid darauf aus, da ss ich Euch die Umarmung gewähre.«
    Smeeth lächelte. In seinen Augen loderte es, als würde er im nächsten Augenblick zum Shuman. Die Energie, die von ihm ausstrahlte, war überwältigend. »Ich habe nicht vor«, sagte er,
    »es bei einer Umarmung zu belassen.«
    Vileena fühlte eine hei ss e Woge in sich aufsteigen. Sie spürte Dämme in sich bersten, fühlte sich der anbrandenden animalischen Kraft wehrlos ausgeliefert.
    »Dann kommt«, sagte sie. Sie wunderte sich, wie rauh ihre Stimme klang.

 
     
    3
     
    ALS SIE AUS DEM KÖSTLICHEN Dämmerzu stand erwachte, in dem sie vergessen hatte, wie sie hie ss und wo sie war und da ss so etwas wie Zeit existierte, kam ihr als erstes zu Bewu ss tsein, da ss sie unbekleidet war. Dann, da ss sie nicht allein war. Sie tastete umher und zog ein Laken über sich, ehe sie sich umdrehte.
    Smeeth lag da, nackt, den Kopf gegen die Polster gelehnt, ein Glas halbvoll mit Wasser auf dem Bauch balancierend. Die Augen hatte er geschlossen, aber nicht so, als schliefe er, sondern als horche er in sich hinein.
    Vileena betrachtete ihn und fragte sich, was um alles in der Welt es gewesen war, das sie dazu bewogen hatte, ihm die Umarmung zu gewähren - und so rasch noch dazu. Dabei war er nicht einmal ein Edler, kein richtiger jedenfalls. Nicht da ss sie es bereute, nein. Das waren nur Gedanken, die an der Oberfläche ihres Geistes dahinplapperten und sich mit Fragen der Schicklichkeit und der Standesehre beschäftigten, aber darunter war sie von einer geradezu archaischen Zufriedenheit erfüllt, einer animalischen Sattheit, wie sie sie nicht mehr gekannt hatte seit… seit… Sie konnte

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