Quest
ihm jedenfalls nicht. Zumindest zieht er ein ziemliches Gesicht, wenn er es trinkt.« Er knöpfte den Anzug zu, Dutzende unsinnig kleiner Knöpfe, wie es gerade Mode zu sein schien. »Und zwar, seit wir dieses Wrack an Bord geholt haben. Seither ist er so seltsam.«
»Was für ein Wrack?« fragte die Niedere.
Bailan hielt inne, sah sie verblüfft an. »Na, das Wrack, das vierhundert Jahre im All getrieben hat.«
Eintausendvier schüttelte den Kopf. »Ich wei ss nicht, was Sie meinen.«
»Das Wrack. Das war vor, na, neun oder zehn Tagen. Man hat ein Funksignal aufgefangen und dann ein uraltes Raumschiff gefunden. Sie hatten Kühlkammern an Bord, aber es hat nur ein einziger überlebt.«
»Davon wei ss ich nichts. So etwas kriegt man im Unterdeck nicht mit.«
»Ehrlich?« Bailan wu ss te nicht, ob er das glauben sollte. Er hatte manchma l das Gefühl, die Tiganerin amüsiere sich über ihn. »Jedenfalls, seither ist der Tennant schlecht gelaunt. Seit das Wrack an Bord ist.«
Eintausendvier wrang plätschernd ihren Lappen aus. »Dann soll er besser nicht ins Unterdeck kommen.«
»Ins Unterdeck? Der Tennant?«
Die Niedere begann, emsig das Zuluftgitter abzuwischen. »Ich habe nichts gesagt«, murmelte sie.
Iostera verriet niemandem etwas, machte keine Andeutungen, lie ss sich nichts anmerken. Vileena und Smeeth begegneten einander formell, wenn sie sich au ss erhalb ihrer Kabine über den Weg liefen. Trotzdem sickerte über geheimnisvolle Kanäle, die niemand jemals restlos kennen würde, das Gerücht in die unteren Decks, die Erste Heilerin und der geheimnisvolle Fremde hätten eine Affäre. Man trommelt es über die Wasserrohre, sagten die Raumfahrer der gro ss en Schiffe dazu.
Das Gerücht machte schnell die Runde, einer sagte es dem anderen weiter. »Hast du schon gehört?«, und bald war es Thema und Tagesgespräch in den Kantinen, Maschinenräumen und Steuerstationen. Da ss sonst nichts los war, die MEGATAO
donnerte unentwegt durch den Hyperraum, unterbrochen von nur noch sehr kurzen Orientierungsetappen, da die Eintauchpunkte immer näher beisammen lagen und niemand etwas Genaues wu ss te, trug zur Attraktivität dieser Art Gespräche bei.
Die meisten Besatzungsmitglieder kamen zu der Ansicht, da ss diese Affäre, so es sie denn geben sollte, der Ersten Heilerin jedenfalls zu gönnen sei. »Der Mann sieht zumindest einigerma ss en gut aus«, sagten die, die Iostera auf seinen schweigsame n Streifzügen durch die mittleren Decks begegnet waren. »Besser, sie hat was mit dem als mit dem Kommandanten.«
Auf eine solche Feststellung hin nickte für gewöhnlich jeder der am Gespräch Beteiligten. Die meisten hatten Eftalan Quest schon lange nicht mehr von Angesicht zu Angesicht gesehen, viele das letzte Mal bei der Ansprache vor dem Start. Sie erinnerten sich an einen von dem ungezügelten Wohlleben reicher Patriarchen aufgedunsenen Mann, der vermutlich grauen Drogen frönte und so berühmt und verschlagen sein mochte, wie er wollte - ein angemessener Partner für die schöne Edle Vileena war er nicht.
»Stimmt das?« fragte Quest tonlos.
Vileena verabreichte ihm die fällige Ration Sud Blau, wieder in einer jener endlosen, qualvollen Prozeduren, in der sie einander im Dunkeln gegenübersa ss en und sie seinen Puls zerfasern fühlte, während die Maschine das Mittel in seine Adern pumpte. »Was?« fragte sie zurück. »Was stimmt?«
»Da ss du eine Affäre mit dem Republikaner hast.«
Sie war froh, in diesem Augenblick ihre Finger nicht auf seinem Handgelenk zu haben. »Wer behauptet das?«
»Jeder. Das ganze Schiff redet von nichts anderem.«
»La ss sie reden.«
Er stie ss einen kehligen Laut aus, als schmerze ihn etwas. »Ich mu ss das wissen.«
Vileena betrachtete seinen Schädel, die winzigen Perlen Schwei ss darauf. Heute hatte Quest keinen Vortrag laufen lassen, nicht einmal Musik. »Bis jetzt hat das ganze Schiff geglaubt, wir beide, du und ich, hätten eine Affäre. Also, was soll’s?«
»Du wei ss t nicht, ob er wirklich ein Edler ist. Du könntest gegen die Standesregeln versto ss en.«
»Du hast ihn selber anerkannt.«
»Nach einer Regel, die seit dreihundert Jahren nicht mehr angewendet worden ist. Seit der letzte Kommandant der Republik gestorben ist.«
»Der vorletzte, offensichtlich.«
Quests Augen blitzten im Dunkel des Raumes auf, in dem man nichts hörte von dem S chiff, seinen Maschinen und Bewohnern. Sie sah, wie er sie forschend musterte, und begriff, da ss er längst
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