Queste der Helden (Band 1 im Ring der Zauberei)
er, er gehört zur königlichen Familie. Ich bin noch nie jemandem begegnet, der so viele Ansprüche hat und sie so wenig verdient. Noch schlimmer, er hat es sich irgendwie in den Kopf gesetzt, dass wir beide dazu bestimmt sind, zu heiraten. Als würde ich einfach so das tun, was meine Eltern mir aufzwingen wollen. Niemals. Und bestimmt nicht mit ihm. Ich kann seinen Anblick nicht ertragen.“
Thor fühlte sich bei ihren Worten so erleichtert, dass er sich eine Million Pfund leichter fühlte; ihm war danach, von den Baumwipfeln zu trällern. Genau das hatte er hören müssen. Nun tat es ihm leid, dass er ihr für nichts die Laune verdorben hatte. Doch er war noch nicht ganz zufriedengestellt; ihm fiel auf, dass sie noch immer nicht gesagt hatte, ob sie ihn, Thor, wirklich gern hatte.
„Was dich angeht“, sagte sie, ihn verstohlen anblickend und dann wegschauend. „Ich kenne dich kaum. Ich muss mich wohl kaum jetzt sofort zu meinen Gefühlen bekennen. Aber ich würde sagen, dass ich nicht glaube, dass ich mit dir Zeit verbringen würde, wenn ich dich so wenig leiden könnte. Es steht mir natürlich zu, es mir anders zu überlegen, wie es mir einfällt, und ich kann wankelmütig sein—aber nicht, wenn es um die Liebe geht.“
Mehr brauchte Thor gar nicht. Er war beeindruckt von ihrer Ernsthaftigkeit, und noch mehr beeindruckt von der Wahl ihrer Worte: „Liebe“. Er fühlte sich wie neu.
„Und übrigens, ich könnte dich genau dasselbe fragen“, sagte sie und drehte den Spieß um. „In Wirklichkeit habe ich, denke ich, sehr viel mehr zu verlieren als du. Immerhin bin ich aus der königlichen Familie, und du bist aus dem gemeinen Volk. Ich bin älter und du bist jünger. Meinst du nicht, ich sollte diejenige sein, die vorsichtiger ist? Gerüchte erreichen mich am Hof über deine Absichten, deinen sozialen Aufstieg, dass du mich nur benutzt, um zu einem Rang zu kommen. Dass du die Gunst des Königs willst. Soll ich das alles glauben?“
Thor war entsetzt.
„Nein, edle Dame! Niemals. Solche Dinge sind mir noch nicht einmal in den Sinn gekommen. Ich bin bei dir, weil ich nicht daran denken kann, irgendwo anders zu sein. Weil ich es möchte. Weil, wenn ich nicht bei dir bin, ich an nichts anderes denken kann.“
Ein Lächeln umspielte ihre Mundwinkel und er konnte sehen, wie ihr Gesichtsausdruck freudiger wurde.
„Du bist neu hier“, sagte sie. „Du bist neu in Königshof, in der Welt der Adeligen. Du brauchst Zeit, um zu sehen, wie die Dinge wirklich laufen. Hier meint niemand das, was er sagt. Jeder hat versteckte Absichten. Jeder angelt nach Macht—oder Rang oder Wohlstand oder Reichtum oder Titeln. Niemanden kann man dem Anschein nach beurteilen. Jeder hat seine eigenen Spione, und Interessen, und Absichten. Als Alton dir zum Beispiel erzählte, dass meine Hochzeit bereits arrangiert ist, wollte er in Wirklichkeit dadurch herausfinden, wie nahe wir beide uns stehen. Er fühlt sich bedroht. Und es kann sein, dass er für jemanden spioniert. Für ihn bedeutet Heirat nicht Liebe. Es ist eine Vereinigung. Rein für finanziellen Gewinn, für Rang. Für Besitz. An unserem königlichen Hof ist nichts, wie es scheint.“
Auf einmal rannte Krohn an ihnen vorbei, den Waldpfad hinunter und auf eine Lichtung hinaus.
Gwen sah zu Thor und kicherte; sie nahm seine Hand und lief mit ihm davon.
„Komm schon!“, rief sie aufgeregt.
Die beiden liefen den Pfad hinunter und platzten lachend in die große Lichtung. Thor war vom Anblick verblüfft: es war eine wunderschöne Waldwiese voller Wildblumen von jeder erdenklichen Farbe, die bis an ihre Knie wuchsen. Bienen und Schmetterlinge in allen Farben und Größen tanzten und flogen durch die Luft, und ein Zwitschern erfüllte die Wiese mit Leben. Die Sonne schien leuchtend herunter, und es fühlte sich wie ein geheimer Ort an, der hier inmitten dieses hohen, dunklen Waldes versteckt war.
„Hast du schon einmal Blinde Kuh gespielt?“, fragte sie lachend.
Thor schüttelte den Kopf, und bevor er sich wehren konnte, nahm sie ein Tuch von ihrem Hals, streckte die Hände aus und band es Thor um die Augen. Er konnte nichts sehen, und sie kicherte ihm laut ins Ohr.
„Du bist es!“, sagte sie.
Dann hörte er, wie sie durch das Gras davonlief.
Er lächelte.
„Und was mache ich jetzt?“, rief er ihr zu.
„Mich finden!“, rief sie zurück.
Ihre Stimme war jetzt schon weit weg.
Mit verbundenen Augen begann Thor, ihr nachzulaufen, und stolperte dabei umher. Er
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