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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Briefe von Huygens, ein kurzes Manuskript von Spinoza, ein großer Stapel wirrer Suaden von diversen Verrückten und ein Berg Leibniz. »Dass dieser verwünschte Deutsche nie Ruhe geben kann!«, brummte Oldenburg – ein Scherz, der, da Oldenburg selbst ein notorisch weitschweifiger Deutscher war, eigentlich auf seine Kosten ging. »Wollen sehen... Leibniz schlägt vor, eine Societas Eruditorum zu gründen, die junge Landstreicher aufnimmt und sie zwecks Einschüchterung der Jesuiten zu einer Armee von Naturphilosophen ausbildet... hier seine Überlegungen zum Gegensatz zwischen freiem Willen und Prädestination... es wäre ein großer Spaß, ihn in eine Auseinandersetzung mit Spinoza zu locken... hier fragt er mich, ob ich wisse, dass Comenius gestorben ist... schreibt, er sei bereit, die verlöschende Fackel des Pansophismus 22 zu ergreifen... hier haben wir eine leicht fassliche und einfach zu lesende Analyse der Frage, wie das von Gelehrten auf dem Kontinent benutzte, schlechte Latein zu fehlerhaftem Denken führt, und dieses wiederum zu religiösen Schismen, Krieg, schlechter Philosophie...«
    »Hört sich wie Wilkins an.«
    »Wilkins! Ja! Ich habe überlegt, die Wände meinerseits mit einigen Graffiti zu verzieren und sie in universalen Zeichen zu schreiben... aber es ist zu deprimierend. ›Seht her, wir haben eine neue philosophische Sprache entwickelt, damit wir, wenn Könige uns einkerkern, eine höhere Form von Graffiti in unsere Zellenwände ritzen können. ‹«
    »Vielleicht wird das ja zu einer Welt führen, in der Könige uns überhaupt nicht mehr einkerkern können oder wollen -«
    »Jetzt hört Ihr Euch an wie Leibniz. Ah, da sind ein paar neue mathematische Beweise... nichts, was nicht schon von Engländern bewiesen worden wäre... aber Leibniz’ Beweise sind eleganter... hier ist etwas, das er in aller Bescheidenheit Hypothesis Physica Nova betitelt hat. Nur gut, dass ich im Tower sitze, sonst hätte ich nie Zeit, das alles zu lesen.«
    Daniel machte über dem Feuer Kaffee – sie tranken ihn und rauchten Virginiatabak in Tonpfeifen. Dann war es Zeit für Oldenburgs Abendspaziergang. Er ging Daniel voran einen Stapel aus steinernen Tortenstücken hinab, die eine Wendeltreppe bildeten. »Ich würde Euch die Tür aufhalten und ›Nach Euch‹ sagen, aber angenommen, ich fiele – Ihr würdet, von mir zermalmt, im Keller des Broad Arrow Tower landen – und mir ginge es prächtig.«
    »Alles für die Royal Society«, scherzte Daniel, der sich darüber verwunderte, wie Oldenburgs Masse die spiralförmige Röhre aus stehender Luft ausfüllte.
    »Ach, Ihr seid wertvoller für sie als ich«, sagte Oldenburg.
    »Pah!«
    »Mit meiner Nützlichkeit hat es bald ein Ende. Ihr steht erst am Anfang. Man hat große Pläne mit Euch -«
    »Bis gestern hätte ich Euch geglaubt – dann hat man mich bei einem Gespräch zuhören lassen – für mich war es vollkommen unverständlich – aber es hörte sich furchtbar wichtig an.«
    »Erzählt mir von diesem Gespräch.« Sie kamen auf der Krone der alten Blendmauer heraus, die auf der Südseite den Broad Arrow Tower mit dem Salt Tower verband. Arm in Arm schlenderten sie an den Zinnen entlang. Zu ihrer Linken konnten sie auf der anderen Seite des Burggrabens – eines künstlichen, mit der Themse verbundenen toten Flussarms – ein Verteidigungsglacis sehen, dahinter ein paar Baracken und Lagerhäuser, die mit der Navy zu tun hatten, dann die in eine Biegung der Themse geschmiegten Weidegründe von Wapping, trübe Lichter draußen in Ratcliff und Limehouse – und schließlich eine Schwärze, die unter anderem Europa barg.
    »Die Personen der Handlung: John Wilkins, Lord Bischof von Chester, und der Hochwohlgeborene Mr. Samuel Pepys, Sekretär der Admiralität, Schatzmeister der Flotte, Schriftführer des Flottenamtes, Stellvertretender Bewahrer des Geheimsiegels, Mitglied der Fischereikommission, Schatzmeister des Tangerausschusses, rechte Hand des Earl von Sandwich, Höfling... habe ich irgendetwas ausgelassen?«
    »Fellow der Royal Society.«
    »Ja, richtig... danke.«
    »Was haben sie gesagt?«
    »Zunächst eine kurze Spekulation darüber, wer Eure Post liest...«
    »Ich nehme an, John Comstock. Er hat schon während des Interregnums für den König spioniert, warum soll er dann nicht auch jetzt für ihn spionieren?«
    »Klingt plausibel... das gab Anlass zu einigen Zweideutigkeiten über delikate Verhandlungen. Mr. Pepys meinte – und hier sprach er vom König

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