Quicksilver
von England – ›dass er sa soeur überaus liebevolle Gefühle entgegenbringt und ihr viele Briefe schreibt.‹«
»Nun, Ihr wisst sicher, dass Minette in Frankreich ist -«
»Minette?«
»So nennt König Charles seine Schwester Henrietta Anne«, erklärte Oldenburg. »Ich empfehle Euch aber, diesen Namen in der feinen Gesellschaft nicht zu verwenden – es sei denn, Ihr wollt bei mir einziehen.«
»Ist sie nicht diejenige, die mit dem Duc d’Orléans 23 verheiratet ist?«
»Ja, und indem Mr. Pepys ins Französische verfiel, wollte er dies natürlich hervorheben. Bitte fahrt fort.«
»Lord Wilkins fragte sich, ob sie auch antworte, und Pepys sagte, Minette habe einen Briefausstoß wie ein Diplomat.«
Oldenburg zuckte zusammen und schüttelte bestürzt den Kopf. »Sehr ungeschickte Ausdrucksweise von Mr. Pepys. Er gab damit zu erkennen, dass der Briefwechsel so etwas wie eine diplomatische Verhandlung ist. Dabei brauchte er bei Wilkins durchaus nicht so plump vorzugehen... er muss müde gewesen sein, zerstreut...«
»Er hatte lange gearbeitet – im Schutze der Dunkelheit wird viel Gold ins Schatzamt der Flotte geschafft.«
»Ich weiß – da, seht!«, sagte Oldenburg, packte Daniel fester und drehte ihn herum, sodass sie beide westwärts über den Innenhof hinwegblickten. Sie befanden sich in der Nähe des Salt Tower, der die Südostecke des nahezu quadratischen Tower-Komplexes bildete. Demzufolge erstreckte sich vor ihnen die parallel zum Fluss verlaufende Südmauer, die eine Reihe gedrungener, runder Türme miteinander verband. Rechts von ihnen, mitten in den Hof gepflanzt, befand sich der alte Burgfried: ein frei stehendes Gebäude, das White Tower hieß. Einige niedrige Mauern teilten den Hof in kleinere Rechtecke, doch von Daniels und Oldenburgs Warte aus war das auffälligste Bauwerk die große Westmauer, die solide gebaut war, um Attacken aus der stets schwierigen Stadt London standhalten zu können. Auf der anderen Seite dieser Mauer verlief, ihrem Blick verborgen, in einem schmalen Durchgang zwischen ihr und einer etwas niedrigeren Außenmauer eine Straße. Über dieser Straße – die von Betrieben zum Einschmelzen und Bearbeiten von Edelmetallen gesäumt war – ballten sich dicke Rauch- und Dampfwolken. Sie hieß Mint Street. »Die infernalischen Hämmer halten mich wach – der Rauch ihrer Öfen zieht zu den Schießscharten herein.« In aller Regel hatten die Wände hierorts schmale, Schießscharten genannte kreuzförmige Schlitze für Bogenschützen, was einer der Gründe war, warum der Tower, besonders für dicke Menschen, ein so gutes Gefängnis abgab.
»Deshalb also wohnen Könige heutzutage in Whitehall – um nicht in Windrichtung der Münze zu sein«, sagte Daniel scherzend.
In Oldenburgs Gesicht wurde flüchtige Belustigung von pedantischer Verdrießlichkeit abgelöst. »Ihr begreift nicht. Die Münze ist nur äußerst sporadisch in Betrieb – sie ist monatelang kalt und still gewesen – die Arbeiter müßig und betrunken.«
»Und jetzt?«
»Jetzt sind sie rührig und betrunken. Vor ein paar Tagen, als ich an ebendieser Stelle stand, habe ich dort, knapp hinter der Flussbiegung, einen schwer beladenen Dreimaster, ein Kriegsschiff, Anker werfen sehen. Kleine Boote mit schwerer Ladung sind in die Schleuse dort drüben, mitten in der Südmauer, eingelaufen, und noch in derselben Nacht erwachte die Münze zum Leben und ist seither nicht mehr zur Ruhe gekommen.«
»Und im Schatzamt der Marine begann Gold einzutreffen«, sagte Daniel, »und hat Mr. Pepys viel Arbeit gemacht.«
»Nun wollen wir noch einmal auf das Gespräch zurückkommen, das Ihr mit anhören durftet. Wie hat der Bischof von Chester auf Mr. Pepys’ ziemlich tollpatschige Enthüllungen reagiert?«
»Er sagte so etwas Ähnliches wie: ›Minette hält Seine Majestät also über das Treiben ihres Beaus auf dem Laufenden?‹«
»Und wen, glauben Sie, hat er damit gemeint?«
»Ihren Mann -? Ich weiß, ich weiß – meine Naivität ist bemitleidenswert.«
»Philippe, Duc d’Orléans, besitzt die größte und schönste Sammlung weiblicher Unterwäsche in Frankreich – seine amourösen Abenteuer beschränken sich strikt darauf, sich von strammen Offizieren in den Arsch ficken zu lassen.«
»Arme Minette!«
»Sie hat das ganz genau gewusst, als sie ihn heiratete«, sagte Oldenburg und verdrehte die Augen. »Ihre Flitterwochen hat sie mit dem Bruder ihres frisch gebackenen Ehemanns im Bett verbracht. Mit König Ludwig
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