Quicksilver
scherzte Pepys.
Comstock drehte sich um und bedachte ihn mit einem Blick, bei dem Pepys zumute sein musste, als starre er direkt in den Lauf einer geladenen Kanone.
Daniel Waterhouse wechselte einen kurzen Blick mit dem Bischof von Chester. Jetzt wussten sie, wer Oldenburgs Briefe aus dem Ausland las: Comstock.
Comstock wandte sich um und lächelte Daniel höflich – aber nicht liebenswürdig – an. »Ihr wohnt im Hause Eures älteren Halbbruders?«
»So ist es, Sir.«
»Ich werde die Sachen morgen früh dorthin schicken lassen.«
Die Kutsche fuhr am Südrand von Charing Cross entlang und hielt vor einem schönen neuen Stadthaus. Daniel, dessen Relevanz sich offensichtlich erschöpft hatte, wurde auf die denkbar artigste und höflichste Weise aufgefordert, aus der Kutsche auszusteigen und auf dem Dach Platz zu nehmen. Er tat es und stellte, ohne sich eigentlich darüber zu wundern, fest, dass sie vor dem Apothekerladen von Monsieur LeFebure, dem Chemiker des Königs, angehalten hatten – ebenjenem Haus, in dem Isaac den größten Teil des Vormittags zugebracht und eine sorgfältig inszenierte Zufallsbegegnung mit dem Earl von Upnor gehabt hatte.
Die Eingangstür ging auf, heraus trat ein Mann in langem Mantel, dessen Silhouette sich vor dem Lampenlicht von drinnen abzeichnete, und näherte sich der Kutsche. Als er den aus dem Haus dringenden Lichtschein hinter sich ließ und durch die Dunkelheit schritt, war zu erkennen, dass der Saum seines Mantels und seine Fingerspitzen in einem seltsamen grünen Licht schimmerten.
»Gut, dass ich Euch treffe, Daniel Waterhouse«, sagte er, und ehe Daniel antworten konnte, war Enoch der Rote schon in die Kutsche eingestiegen und schloss den Schlag hinter sich.
Die Kutsche folgte einfach der Biegung von Charing Cross, sodass sie an das eine Ende des langen, gepflasterten Platzes vor Whitehall gelangten. Sie hielten direkt auf das Holbein Gate zu, ein gotisches Schloss mit vier Türmen, das höher als breit war und das andere Ende des Platzes beherrschte. Ein Gewirr unscheinbarer Giebel und Schornsteine verbarg die großen Flächen zu ihrer Linken: zuerst Scotland Yard, ein unregelmäßiges Mosaik aus Holzhöfen, Brühplätzen und Apfelweinkellern, übersät mit Kohlenhaufen und Holzstapeln, und danach der große Palasthof. Rechts von ihnen – wo es in Daniels Kindheit nichts als Park und eine Aussicht auf den St. James’s Palace gegeben hatte – erhob sich nun eine lange, bis auf die Schießscharten undurchbrochene Steinmauer von doppelter Mannshöhe. Weil Daniel auf dem Kutschendach saß, konnte er über der Mauerkrone ein paar Äste und die Dächer der Holzgebäude sehen, die Cromwell dahinter hatte errichten lassen, um seine Gardekavallerie unterzubringen. Der neue König hatte – vielleicht in Erinnerung daran, dass sich auf diesem Platz einst eine Menschenmenge gedrängt hatte, um der Enthauptung seines Vaters zuzusehen – beschlossen, die Mauer samt Schießscharten und Gardekavallerie beizubehalten.
Links zog das Great Gate, das große Palasttor, vorbei und gewährte einen flüchtigen Blick in den Great Court, den Haupthof, und auf ein, zwei zum Fluß hin liegende große Hallen und Kapellen. Mehr oder weniger gut gekleidete Fußgänger gingen in Zweier- und Dreiergrüppchen bei diesem Tor ein und aus und bedienten sich dabei eines öffentlichen Durchgangs, der über den Great Court führte (wo er sogar nachts als tief in den Boden gefurchter Pfad sichtbar war), sich schließlich zwischen verschiedenen Palastgebäuden und durch sie hindurch schlängelte und an den Whitehall Stairs endete, wo Fährleute mit ihren kleinen Booten anlegten, um Fahrgäste aufzunehmen und abzusetzen.
Dann wurde der Blick durch das Great Gate von der Ecke des Banqueting House verdeckt, einer riesigen weißen Schnupftabakdose von einem Gebäude, die man nachts meist dunkel ließ, damit die drallen Göttinnen, die Rubens an die Decke gemalt hatte, nicht von Fackelund Kerzenrauch geschwärzt wurden. Heute Nacht brannten drinnen ein, zwei Fackeln, und Daniel konnte durch ein Fenster hindurch flüchtig Minerva erblicken, wie sie den Aufstand erstickte. Aber die Kutsche war mittlerweile fast am Ende des Platzes angelangt und bremste ab, denn dies war eine derart erbärmliche ästhetische Sackgasse, dass sogar den Pferden leicht schwummrig davon wurde: unmittelbar vor ihnen die alten, pseudoholländischen Giebel von Lady Castlemaines Quartier; zur Rechten der gedrungene gotische Bogen des
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