Quicksilver
– sondern eher einem jener winzig kleinen Eier gleich, die Hooke mit seinem Mikroskop entdeckt hat. Sie schwimmt nur, weil Schiffsjungen unentwegt ihre Pumpen betätigen, sie bleibt nur deshalb intakt und in der Senkrechten, weil hochintelligente Männer immerfort den Himmel und das Meer um sie herum beobachten. Wie Schnee in der Sonne schwindet jede Leine und jedes Segel mit messbarer Geschwindigkeit dahin, und Männer müssen das unendliche Netzwerk aus Hanfseilen unablässig schladden, schmarten, bekleiden, teeren und spleißen, damit die Minerva nicht, so Daniels Vorstellung, mitten auf dem Ozean mit explosionsartiger Plötzlichkeit auseinander fällt. Wie eine sich häutende Schlange streift sie Abgenutztes und Kaputtes ab und ersetzt es aus inneren Reserven – wobei sie sich beständig fortentwickelt. Die einzige Möglichkeit, diese fortwährende, notwendige Entwicklung aufrechtzuerhalten, besteht darin, die Vorräte zu ergänzen, die in ihren Laderäumen ebenso unaufhörlich schrumpfen, wie Wasser in dieselben eindringt. Die einzige Möglichkeit, dies zu tun, besteht darin, von einem Hafen zum nächsten mit Waren zu handeln und auf jedem Teilstück der immer währenden Reise ein bisschen Geld zu verdienen. Jeden Tag fallen Stürme und Piratenflotten über sie her. Aufs Meer hinauszufahren und eine Minerva zu finden ist genauso, als fände man in der Wüste eine auf der Spitze balancierende Pyramide. Sie ist ein Säugling in einem Körbchen – ein Buch in einem Scheiterhaufen. Und dennoch besitzt van Hoek die Verwegenheit, seine Kajüte, als handelte es sich um den Salon eines Gentleman, mit empfindlichen Wettergläsern, Uhren, optischen Geräten, einer anständigen Bibliothek, ein, zwei Gemälden, einer mit chinesischem Porzellan gefüllten Geschirrvitrine und einem ansehnlichen Vorrat an Brandy und Port auszustatten. Sogar Spiegel gibt es hier. Doch das ist noch nicht alles: Als er im Hereinkommen ein paar Glasscherben auf dem Boden und hie und da kleine Einschusslöcher sieht, wird er so zornig, dass Dappa Daniel nicht raten muss, ihn am besten ein Weilchen allein zu lassen.
»Somit hat sich der Vorhang über unserer kleinen Darbietung gesenkt. Nun könnte sich ein Mann in Eurer Lage vielleicht wie ein Rankenfußkrebs vorkommen – außerstande, das Schiff zu verlassen – für Seeleute ein Ärgernis -, aber auf der Minerva gibt es für jeden etwas zu tun«, sagt Dappa und führt ihn die mittschiffs gelegene Treppe hinab aufs Geschützdeck.
Daniel passt offenbar nicht auf. Seit er das letzte Mal hier unten war, hat eine durchgreifende Umstellung stattgefunden. Sämtliche Hindernisse, mit denen der Raum früher voll gestopft war, sind anderswohin geräumt oder über Bord geworfen worden, um Platz für die Kanonen zu schaffen. Diese waren bislang längs des Rumpfes festgezurrt, sind nun aber um neunzig Grad geschwenkt worden, und jede zielt auf ihre Stückpforte. Da das Schiff meilenweit von jedem Feind entfernt in der Cape Cod Bay manövriert, sind die Stückpforten vorderhand noch alle geschlossen. Doch wie Bühnenarbeiter, die hinter der Szene werkeln, schuften die Seeleute mit diversen arkanen Werkzeugen wie etwa Luntenstöcken, Staukeilen, Ladepfriemen und Trensnadeln. Einer hält etwas in der Hand, was wie eine große Lupe ohne Glas aussieht – es ist ein leerer Eisenring an einem Griff. Der Mann sitzt rittlings auf einer Kiste mit Kanonenkugeln, die er eine nach der anderen heraushievt, durch den Ring schiebt, um ihr Kaliber zu messen, und in andere Kisten einsortiert. Andere schnitzen und feilen an runden Holzblöcken, die man Geschossringe nennt und schnallen Kanonenkugeln daran fest. Doch jeder, der eine Stahlklinge trägt, ist in der Nähe der Pulverfässer eindeutig unerwünscht, weil Stahl Funken schlägt.
Einer der Matrosen, ein Ire, unterhält sich mit einem der am Morgen gefangen genommenen Piraten aus dem Walboot von Plymouth. Zwischen den beiden Männern steht eine Kanone, und wenn zwischen zwei Männern eine Kanone steht, dann ist es das, worüber sie sich unterhalten. »Das hier ist Wapping Wendy oder W.W. oder Wumm-Wumm, wie wir’s in der Hitze der Schlacht manchmal abkürzen, obwohl du sie auch ›Liebchen‹ oder ›Liebe meines Lebens‹ nennen darfst, niemals aber ›Wetterwendische Wendy‹, wie die da drüben bei ›Mr. Foote‹« – ein finsterer Blick zur Mannschaft einer anderen Kanone -«sie gerne schmähen.«
»Ist sie’s denn? Wetterwendisch?«
»Sie ist wie jedes
Weitere Kostenlose Bücher