Quicksilver
von der Gardekavallerie – und von ihren Pferden.‹«
»Woraufhin der Earl aufsprang! Und seine Hand an seinen Degen fuhr – natürlich, um die Ehre Seiner Majestät zu verteidigen«, sagte Wilkins.
»Wie war denn der Gemütszustand Seiner Majestät?«, fragte Daniel.
Wilkins formte die Hände zu Waagschalen und bewegte sie ruckartig auf und ab. »Dann gab Mr. Pepys den Ausschlag. Er erzählte eine Anekdote aus der Restauration, im Jahre 1660, als er mit dem König und bestimmten Angehörigen von dessen Hauswesen – darunter auch der Earl von Upnor, damals erst zwölf Jahre alt – auf dem Boot gewesen war. An Bord befand sich außerdem der alte Lieblingshund des Königs. Der Hund schiss ins Boot. Der junge Earl trat nach ihm und machte Anstalten, ihn über Bord zu werfen, doch der König, der darüber lachte, gebot ihm Einhalt und sagte: ›Wisst Ihr, wenigstens in mancher Hinsicht sind Könige wie andere Menschen!‹«
»Hat er wirklich so etwas gesagt?«, rief Daniel aus und kam sich sofort wie ein Idiot vor -
»Natürlich nicht!«, sagte Pepys. »Ich habe die Geschichte nur so erzählt, weil ich dachte, sie würde sich als nützlich erweisen -«
»Und war das der Fall?«
»Der König lachte«, sagte Pepys abschließend.
»Und Enoch Root erkundigte sich, ob es damals nötig gewesen sei, dem jungen Earl eine Tracht Prügel zu verabreichen, um ihm Respekt vor Älteren beizubringen.«
»Älteren?«
»Der Hund war älter als der Earl – hört gefälligst zu!«, sagte Pepys und bedachte Daniel mit einem ungeheuren Stirnrunzeln.
»Kommt mir wie eine ziemliche unkluge Äußerung vor«, murmelte Daniel.
»Der König sagte: ›Nein, nein, Upnor war schon immer ein wohlerzogener Mensch‹, oder etwas dergleichen, und so kam es nicht zum Duell.«
»Dennoch, mir kommt Upnor recht nachtragend vor -«
»Enoch hat schon Bessere als ihn zur Hölle geschickt – macht Euch um seine Zukunft keine Gedanken«, sagte Wilkins. »Beschäftigt Euch lieber mit Euren eigenen Fehlern, junger Freund – der exzessiven Nüchternheit, zum Beispiel...«
»Dem Hang zu übertriebener Sorge -«, warf Pepys ein.
»Unpassender Keuschheit – kehren wir in die Schänke zurück!«
Er wachte irgendwann am nächsten Tag in einer Mietkutsche nach Cambridge auf – deren beschränkten Raum er sich mit Isaac Newton und einer Menge Zeug teilte, das dieser in London gekauft hatte: eine sechsbändige Ausgabe des Theatrum Chemicum, 25 zahlreiche kleine, mit Stroh ausgepolsterte Kisten, aus denen die langen Hälse von Retorten lugten – Behälter mit einer Substanz, die seltsam roch. Isaac sagte: »Wenn du dich noch einmal übergibst, dann ziele bitte auf die Schüssel da – ich bin dabei, Galle zu sammeln.«
Daniel konnte diesem Wunsch entsprechen.
»Wo Enoch der Rote scheiterte, willst du Erfolg haben?«
»Wie bitte?«
»Bist du auf das philosophische Merkur aus, Isaac?«
»Was gibt es denn sonst zu tun?«
»Die R.S. ist ganz begeistert von deinem Fernrohr«, sagte Daniel. »Oldenburg möchte, dass du mehr zu dem Thema schreibst.«
»Mmm«, machte Isaac, der, tief in Gedanken, Passagen aus drei verschiedenen Büchern miteinander verglich. »Könntest du das bitte einen Moment halten?« So wurde Daniel zu einer menschlichen Buchstütze für Isaac. Nicht, dass er im Augenblick in der Lage gewesen wäre, Bedeutenderes zu leisten. Die nächste Stunde lag auf seinem Schoß ein Band von Foliogröße, vier Zoll dick, in Gold und Silber gebunden und offensichtlich Jahrhunderte vor Gutenberg hergestellt. Schon wollte Daniel herausplatzen: Das muss aber unglaublich teuer gewesen sein, da fand er bei genauerem Hinsehen ein vorne eingeklebtes Exlibris mit dem Wappen von Upnor und ein paar Zeilen des Earls:
Mr. Newton -
Möge dieser Band Euch ebenso viel bedeuten, wie die Erinnerung an unsere glückliche Begegnung mir bedeutet -
UPNOR .
An Bord der Minerva, Cape Cod Bay, Massachusetts
NOVEMBER 1713
Als sie es aus der Plymouth in die Cape Cod Bay geschafft haben, kehrt van Hoek in seine Kajüte zurück und wird wieder Kapitän. Er wirkt ziemlich verstimmt darüber, seine Behausung in solcher Unordnung vorzufinden. Vielleicht deutet es ja darauf hin, dass Daniel ein verbitterter, atheistischer alter Spinner ist, aber er lacht beinahe laut heraus. Die Minerva ist eine Ansammlung von Holzstücken, lose zusammengehalten von Nägeln, Pflöcken, Tauen und Werg, nicht einmal groß genug, um in den Augen der Welt als Stäubchen zu gelten
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