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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Kanzlers mit rotem Bordeaux gefüllt hatte: eine Entscheidung, gegen die man einiges einwenden konnte. Aber über Geschmack ließ sich bekanntlich nicht streiten …
    »Die Afrikaner können sich nicht fortpflanzen«, sagte eine vertraute Stimme verblüffend nah.
    »Was redet Ihr da? Sie können es genauso gut wie alle anderen«, sagte eine andere vertraute Stimme. »Vielleicht sogar noch besser!«
    »Nicht ohne Neger- Frauen.«
    » Was Ihr nicht sagt!«
    »Ihr dürft nicht vergessen, dass die Pflanzer kurzsichtig sind. Sie sind alle verzweifelt darauf bedacht, aus Jamaika wegzukommen – jeden Tag wachen sie in der Erwartung auf, sich oder ihre Kinder von irgendeinem tropischen Fieber gepackt zu finden. Weibliche Neger zu importieren würde fast genauso viel kosten wie der Import von männlichen, aber die weiblichen können nicht so viel Zucker produzieren – besonders wenn sie sich vermehren.« Daniel hatte die Stimme endlich als die von Sir Richard Apthorp – dem zweiten A der CABAL – erkannt.
    »Sie importieren also überhaupt keine weiblichen?«
    »Richtig, Sir. Und ein frisch eingetroffener männlicher ist nur ein paar Jahre lang nutzbar«, sagte Apthorp.
    »Das erklärt einen Großteil des Gejaules, das in letzter Zeit aus der Börse dringt.«
    Die beiden Männer saßen, dem Tor zugewandt, auf den Stufen des Brunnens, und Daniel hatte sie erst gesehen, als er so nahe gekommen war, dass er sie hören konnte. Er schickte sich gerade an, die Richtung zu wechseln und einen weiten Bogen um den Brunnen zu schlagen, als der Mann, der nicht Sir Richard Apthorp war, aufstand, sich umdrehte, einen Pokal in den Brunnen tauchte – und Daniel erblickte, der davon überrumpelt wurde. Nun erkannte Daniel ihn – er war, mit Blut an den Händen, in einem dunklen Hof des Trinity nur allzu leicht zu erkennen. »Alle Wetter!«, rief Jeffreys aus. »Ist das eine neue Statue da drüben? Ein puritanischer Heiliger? Nein, falsch gedacht, jetzt bewegt sie sich – was eine Säule der Tugend zu sein schien, erweist sich als Daniel Waterhouse – stets der scharfe Beobachter – der gerade eine empirische Untersuchung über uns anstellt. Unbesorgt, Sir Richard, Mr. Waterhouse sieht alles und tut nichts – ein vorbildliches Mitglied der Royal Society.«
    »Guten Abend, Mr. Waterhouse«, sagte Apthorp, der durch seinen Tonfall zu vermitteln verstand, dass er Jeffreys peinlich und langweilig fand.
    »Mr. Jeffreys, Sir Richard. Gott erhalte den König.«
    »Den König!«, echote Jeffreys, hob seinen tropfenden Pokal und nahm einen Schluck. »Stehen geblieben und heraus mit der Sprache, wie sich’s für einen guten kleinen Gelehrten ziemt.Warum machen Sir Richards Freunde an der Börse einen solchen Wirbel?«
    »Admiral de Ruyter ist nach Guinea gesegelt und hat dem Herzog von York sämtliche Sklavenhäfen abgenommen«, antwortete Daniel.
    Jeffreys – eine Hand halb vor dem Mund und im schönsten Bühnenflüstern: »Die der Herzog von York ein paar Jahre zuvor den Holländern gestohlen hatte – aber wer nimmt es in Afrika schon so genau?«
    »In den Jahren, in denen die Kompanie des Herzogs Guinea beherrschte, wurden viele Sklaven nach Jamaika verschifft – dort gewannen sie Zucker – Vermögen wurden angehäuft und werden Bestand haben, solange die verschlissenen Sklaven durch neue Lieferungen ersetzt werden. Aber nun haben die Holländer den Nachschub abgeschnitten – und ich würde vermuten, dass Sir Richards Kunden an der Börse sich die Folgen recht deutlich ausmalen können – auf den Warenmärkten muss eine gewisse Hektik herrschen.«
    Wie das Opfer einer grundlosen Misshandlung, das sich nach Zeugen umsieht, wandte Jeffreys sich Apthorp zu, der die Augenbrauen hochzog und nickte. Nun war Jeffreys seit einigen Jahren Anwalt in London. Daniel hatte den Verdacht, dass er die erwähnten Ereignisse nur als geheimnisvollen Einfluss wahrnahm, der den Bankrott seiner Mandanten zur Folge hatte. »Eine gewisse Hektik«, sagte Jeffreys in dramatischem Flüsterton. »Recht nüchtern ausgedrückt, wie? Stellt Euch die Familie irgendeines Pflanzers in Jamaika vor, die mit ansehen muss, wie ihre Arbeiterschaft und die Ernte dahinschwinden – die versucht, dem Bankrott, dem Gelbfieber und dem Sklavenaufstand immer einen Schritt voraus zu sein – die den Horizont nach Segeln absucht und um die Schiffe betet, die ihre Erlösung sind – und Ihr sprecht von einer gewissen Hektik?«
    Daniel hätte antworten können: Stellt Euch einen

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