Quicksilver
Anwalt vor, der seine Geldsäcke dahinschwinden sieht, während er sie vertrinkt, und der die Strand nach einem Mandanten absucht, der das nötige Kleingeld besitzt, um seine Honorare zu bezahlen ... Aber Jeffreys trug einen Degen und war betrunken. Also sagte er: »Wenn diese Pflanzer in der Kirche sind und beten, haben sie bereits Erlösung gefunden. Guten Abend, meine Herren.«
Er steuerte das Tor an und schlug dabei einen weiten Bogen um den Brunnen, damit Jeffreys nicht in Versuchung kam, ihn zu durchbohren. Sir Richard Apthorp applaudierte ihm höflich. Jeffreys murrte und knurrte, brachte nach kurzer Zeit aber Worte heraus: »Ihr seid derselbe, der Ihr schon vor zehn Jahren wart – oder nicht wart -, Daniel Waterhouse! Ihr wurdet schon damals von Furcht beherrscht – und hättet dafür gesorgt, dass heute auch England davon beherrscht wäre! Gott sei Dank seid Ihr in diesen Mauern eingesperrt und außerstande, London mit Eurem widerwärtigen Kleinmut anzustecken!«
Und Weiteres dieser Art, bis Daniel unter das Gewölbe des Great Gate des Trinity College trat. Das Tor war ein wuchtiges Bauwerk mit krenelierten Türmen an den vier Ecken: eine Art Pseudofestung, genau der richtige Rückzugsort, wenn man von einem Jeffreys attackiert wurde. Zwischen ihm und der Seitenwand von Trinitys lang gezogener, schmaler Kapelle klaffte im äußeren Verteidigungsring des College eine Lücke, etwa einen Steinwurf breit und geflickt mit einer Suite von Räumen, die vorn, nach der Stadtseite hin, über einen kleinen, ummauerten Garten verfügte. Diese Räume hatten im Lauf der Jahre den verschiedensten Fellows Schutz vor den Elementen geboten, wurden seit einiger Zeit aber von Daniel Waterhouse und Isaac Newton bewohnt. Sobald die beiden Junggesellen mit ihrem ärmlichen Mobiliar eingezogen waren, blieb noch reichlich ungenutzter Raum übrig, und so war die Wohnung zur weltweit führenden alchimistischen Forschungsstätte geworden. Daniel wusste das, weil er geholfen hatte, sie aufzubauen – oder vielmehr noch half, weil sie ständig im Bau war.
Als er sein Heim betrat, zog Daniel den Talar eng um sich, damit er nicht Feuer fing, wenn er die glühende Kuppel des Flammofens streifte, in dem Flammen gegen das Dach loderten, um sich dann nach unten gegen das Ziel zu richten. Dann raffte er seine Röcke, damit sie nicht an dem Kohlenhaufen entlangstreiften, der sich, wie er (trotz der Dunkelheit im Zimmer) wusste, rechts von ihm auf dem Boden türmte. Oder auch an dem Haufen Pferdemist links von ihm (als Brennmaterial erzeugte er eine sanfte, feuchte Wärme). Er manövrierte durch eine schmale Rinne zwischen Stapeln von Holzkisten, in denen jeweils ein eiförmiger Glaskolben mit Quecksilber verpackt war, und gelangte um eine Ecke herum in ein anderes Zimmer.
Diese Kammer sah aus wie eine Miniaturstadt, erbaut von absonderlichen Steinmetzen und soeben dabei niederzubrennen – denn jedes »Gebäude« hatte eine eigentümliche Form, um auf spezielle Weise Luft anzusaugen, Flammen zu kanalisieren und Dämpfe wegzubefördern, und jedes war von Flammen erfüllt. Einige rauchten, einige dampften; die meisten gaben sonderbar riechende Dünste von sich. Anstatt zu erklären, wonach es hier roch, wäre es einfacher, die wenigen Dinge aufzuzählen, die man nicht riechen konnte. Auf Tischen lagen Goldklümpchen wie Butter bei einem Zuckerbäcker – bei Alchimisten der gehobenen Art war es ein Muss, modische Verachtung für Gold an den Tag zu legen, um so dem Vorwurf zu begegnen, man betreibe das Ganze nur des Geldes wegen. Nicht jeder Vorgang bedurfte eines Ofens, und so gab es auch mit gehämmertem Kupfer beschlagene Tische, auf denen Öllampen standen, deren Schimmer die runden Leiber von Kolben und Retorten in ein gelbes Licht tauchte.
Verschmierte Gesichter wandten sich Daniel zu, von schweren Augenbrauen fielen Schweißtropfen. Er erkannte sofort Robert Boyle und John Locke, Fellows der Royal Society, aber es waren auch gewisse Herren anwesend, die dazu neigten, zu sonderbaren Zeiten in Mantel und Kapuze an ihrem Gartentor zu erscheinen – als müssten sie tatsächlich ihre Identität verbergen, wo doch der König höchstpersönlich die Kunst in Whitehall praktizierte. Nun da er ihre verdrießlichen Gesichter im Feuerschein sah, wünschte Daniel, sie hätten die Kapuzen aufbehalten. Denn es handelte sich nun einmal leider nicht um babylonische Zauberer, jesuitische Kriegerpriester oder druidische Hexer, sondern um eine disparate
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