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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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»Sie arbeitet mit dem Zehnersystem?«
    »Ja, wie die von Pascal – aber das duale würde besser funktionieren -«
    » Mir müsst Ihr das nicht sagen«, sagte Wilkins und schwadronierte dann mindestens eine Viertelstunde lang, wobei er ganze Seiten aus einschlägigen Teilen des Cryptonomicon zitierte.
    Leibniz räusperte sich schließlich und sagte: »Es gibt auch technische Gründe – beim Zehnersystem sind zu viele Eingriffe von Zahnrädern erforderlich – Reibung und Spiel wirken sich verheerend aus.«
    »Hooke! Hooke könnte sie bauen«, sagte Wilkins. »Aber genug von Maschinen. Sprechen wir vom Pansophismus. Sagt mir – habt Ihr in Wien Erfolg gehabt?«
    »Ich habe dem Kaiser in mehreren Briefen die Bibliothèque du Roi des französischen Königs beschrieben -«
    »Um seinen Neid anzustacheln -?«
    »Ja – aber in der Hierarchie seiner Laster scheint, von Neid oder sonst etwas unangefochten, die Trägheit zu regieren. Habt Ihr hier Erfolg gehabt, Mylord?«
    »Sir Elias Ashmole ist dabei, eine wackere Bibliothek aufzubauen – aber er wird von Alchimie benebelt und abgelenkt. Ich habe mich grundsätzlicheren Fragen widmen müssen«, sagte Wilkins mit einer schwachen Bewegung zu der Tür hin, durch die Boldstrood hinausgegangen war. »Ich glaube, dass binäre Rechenmaschinen von enormer Bedeutung sein werden – auch Oldenburg ist überaus gespannt.«
    »Wenn ich Eure Arbeit weiterführen könnte, Sir, würde ich mich geehrt fühlen.«
    »Nun sind wir bloß höflich – dafür habe ich keine Zeit.Waterhouse!«
    Leibniz klappte seinen Kasten zu. Der Bischof von Chester beobachtete, wie sich der Deckel über der Maschine schloss, und seine Augenlider schlossen sich fast im selben Moment. Doch dann sammelte er noch ein wenig Kraft. Leibniz trat zurück, und Daniel nahm seinen Platz ein.
    »Mylord?«
    Mehr brachte er nicht heraus. Drake war sein Vater gewesen, doch John Wilkins war in fast jedem Sinne des Wortes wirklich sein Lord. Sein Herr, sein Bischof, sein Priester, sein Lehrer.
    »Nun fällt die Verantwortung dafür, dass es auch tatsächlich dazu kommt, Euch zu.«
    »Mylord? Dass es wozu kommt?«
    Doch Wilkins war entweder tot oder eingeschlafen.
     
    Sie stolperten durch eine kleine dunkle Küche und hinaus in das Labyrinth von Höfen und Gassen hinter der Chancery Lane, wo sie die Aufmerksamkeit diverser Hähne und Hunde auf sich zogen. Von deren Gelärm verfolgt, gelangten Mr. Waterhouse und Dr. Leibniz in ein Theater- und Kaffehausviertel. Jedes dieser Kaffeehäuser hätte ihnen genügt, aber sie befanden sich ganz in der Nähe der Queen Street – einem von Hookes Straßenpflasterprojekten. Daniel kam sich seit geraumer Zeit wie ein Floh unter dem großen Mikroskop vor. Hooke kümmerte sich um den halben Kosmos, weshalb sich Daniel so fühlte, als flitze er von einem Zufluchtsort zum anderen, obwohl er überhaupt nichts zu verbergen hatte. Leibniz war gesund und kräftig und schien es zu genießen, eine neue Stadt zu erforschen. Daniel lotste sie beide wieder Richtung Fluss. Er versuchte auszuknobeln, welche Verantwortung speziell Wilkins ihm soeben auferlegt hatte. Nach einer Viertelstunde, in der er einen sehr bescheidenen Unterhalter abgegeben hatte, ging ihm auf, dass Leibniz vielleicht irgendwelche Einfälle zu diesem Thema haben könnte.
    »Ihr habt gesagt, dass Ihr Wilkins’ Arbeit weiterführen wolltet, Herr Doktor. Welches seiner Projekte habt Ihr damit gemeint? Den Flug zum Mond oder -«
    »Die philosophische Sprache«, sagte Leibniz, als läge das eigentlich auf der Hand.
    Er wusste, dass Daniel an diesem Projekt beteiligt gewesen war, und schien die Frage als Zeichen dafür aufzufassen, dass dieser nicht besonders stolz darauf war – was auch stimmte. Als Daniel bemerkte, welchen Respekt Leibniz dem Projekt entgegenbrachte, kamen ihm plötzlich Bedenken, ob die philosophische Sprache vielleicht irgendwelche wunderbaren Eigenschaften besaß, die er in seiner Dummheit übersehen hatte.
    »Was gibt es denn damit noch anzufangen?«, fragte Daniel. »Wisst Ihr irgendwelche Verfeinerungen – Zusätze -? Möchtet Ihr das Werk ins Deutsche übersetzen -? Ihr schüttelt den Kopf, Herr Doktor – worum geht es dann?«
    »Ich habe den Anwaltsberuf erlernt. Schaut nicht so entsetzt drein, Mr. Waterhouse, für einen gebildeten Mann in Deutschland ist das durchaus respektabel. Ihr dürft nicht vergessen, dass wir keine Royal Society haben. Nachdem man mich zum Doktor der Jurisprudenz promoviert hat,

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