Quicksilver
Materie raffinieren lässt.«
»Im Gegensatz dazu ist Mr. Hooke davon überzeugt, dass die Wege der Natur mit der Vernunft des Menschen in Einklang stehen.Wie der Flügelschlag eines Insekts mit der Schwingung einer gezupften Saite in Einklang steht, sodass des einen Klang einen gleich gestimmten Widerhall im anderen hervorruft – in gleicher Weise lässt sich jedes Phänomen der Welt prinzipiell durch menschliche Vernunfttätigkeit verstehen.«
Leibniz sagte: »Und mit einem ausreichend starken Mikroskop könnte Hooke in das Herz einer Schneeflocke im Moment ihrer Erschaffung spähen und ihre inneren Teile wie die Zahnrädchen einer von Gott geschaffenen Uhr ineinander greifen sehen.«
»So ist es, Sir.«
»Und das ist es, was Hooke will?«
»Es ist das implizite Ziel aller seiner Forschungen – er muss es glauben, und er muss danach suchen, denn das ist das Wesen Hookes.«
»Jetzt redet Ihr wie ein Aristoteliker«, scherzte Leibniz.
Dann griff er über den Tisch, legte seine Hand auf den Kasten und sagte etwas, was offenbar völlig ernst gemeint war. »Was eine Uhr für die Zeit ist, ist diese Maschine für das Denken.«
» Sir! Ihr zeigt mir ein paar Zahnräder, die Zahlen addieren und multiplizieren – schön und gut. Aber das ist nicht dasselbe wie denken!«
» Was ist eine Zahl, Mr. Waterhouse?«
Daniel stöhnte. »Wie könnt Ihr solche Fragen stellen?«
»Wie könnt Ihr sie nicht stellen, Sir? Ihr seid doch Philosoph, oder nicht?«
»Naturphilosoph.«
»Dann pflichtet Ihr mir wohl darin bei, dass die Mathematik in der modernen Welt den Kern der Naturphilosophie ausmacht – sie gleicht dem geheimnisvollen Wesen im Herzen der Schneeflocke. Mit fünfzehn, Mr.Waterhouse, auf einem Spaziergang im Rosental – das ist ein Wäldchen am Rande von Leipzig – bin ich zu dem Schluss gekommen, dass ich, um Naturphilosoph zu werden, die alte Lehre von den substantiellen Formen verwerfen und mich statt dessen zur Erklärung der Welt auf die Mechanik stützen musste. Dadurch gelangte ich zwangsläufig zur Mathematik.«
»Als ich fünfzehn war, habe ich ein Stück weiter die Straße hinunter Hetzschriften verteilt und mich vor der Wache verdrückt – mit der Zeit aber, Herr Doktor, während Newton und ich in Cambridge Descartes studierten, bin ich dahin gekommen, Eure Ansicht zu teilen, was die überragende Position der Mathematik angeht.«
»Dann wiederhole ich meine Frage: Was ist eine Zahl? Und was heißt es, zwei Zahlen miteinander zu multiplizieren?«
»Was es auch ist, Herr Doktor, es ist etwas anderes als Denken.«
»Bacon hat gesagt: ›Was immer genügend mit den Sinnen wahrnehmbare Unterscheide aufweist, ist seinem Wesen nach befähigt, Gedanken auszudrücken.‹ Ihr könnt nicht bestreiten, dass Zahlen in diesem Sinne befähigt sind -«
»Gedanken auszudrücken, ja! Aber Gedanken auszudrücken heißt nicht, sie zu vollziehen, sonst würden Federkiele und Druckerpressen von sich aus Gedichte schreiben.«
»Kann Euer Verstand diesen Löffel unmittelbar handhaben?«, fragte Leibniz, hielt einen Silberlöffel hoch und legte ihn dann zwischen sie auf den Tisch.
»Nicht ohne meine Hände.«
»Wenn Ihr also an den Löffel denkt, handhabt Euer Verstand dann den Löffel?«
»Nein. Der Löffel bleibt unbeeinflusst, ganz gleich was ich über ihn denke.«
»Weil unser Verstand physische Gegenstände – Tasse, Untertasse, Löffel – nicht handhaben kann, handhabt er stattdessen Symbole derselben, die im Verstand gelagert sind.«
»Das gebe ich Euch zu.«
»Nun habt Ihr selbst Lord Chester geholfen, die philosophische Sprache zu entwerfen, deren Hauptvorzug darin besteht, dass sie allen Dingen auf der Welt Positionen in bestimmten Tabellen zuweist – Positionen, die sich mittels Zahlen verschlüsseln lassen.«
»Ich stimme Euch erneut darin zu, dass Zahlen mittels einer Art Verschlüsselung Gedanken ausdrücken können. Aber Gedanken zu vollziehen ist etwas ganz anderes!«
»Wieso? Wir addieren, subtrahieren und multiplizieren Zahlen.«
»Gesetzt, die Zahl drei steht für ein Huhn und die Zahl zwölf für die Ringe des Saturns – was ist dann drei mal zwölf?«
»Je nun«, sagte Leibniz, »aufs Geratewohl kann man das natürlich ebenso wenig tun, wie Euklid aufs Geratewohl Linien und Kreise zeichnen und daraus Lehrsätze entwickeln konnte. Es muss ein formales System von Regeln geben, nach denen die Zahlen kombiniert werden.«
»Und Ihr gedenkt, eine Maschine zu bauen, die das kann?«
»
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