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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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in Staubwolken hinein, dann aus Staubwolken in stehende Pulverdampfwände.
    Dann schien die Erde unter ihren Füßen zu beben, und ihre gesamte Formation wich ängstlich zurück, Männer schoben sich rücklings ineinander, der Dampf geriet in Bewegung und teilte sich. Flüchtige Schimmer von Gold und poliertem Messing durchdrangen ihn, und Jack begriff, dass unmittelbar entlang ihrer Flanke König Johann Sobieski an der Spitze der Geflügelten Husaren die Türken angriff.
    Noch lange nachdem sie vorbeigeritten waren, regnete es Erdklumpen. Unmittelbar hinter den Polen war quer über das Schlachtfeld ein Korridor frei geblieben, und plötzlich war vor Jack kein Mann mehr zu sehen. Eine Elle freier Raum war einladender als ein Krug Bier. Er konnte nicht anders, er musste vorwärts stürzen. Die anderen taten dasselbe. Die Formation war auseinander gebrochen und Angehörige verschiedener Regimenter drängten einfach in den Pfad, den die polnische Kavallerie gebahnt hatte. Jack schloss sich ihnen an, zum einen, um von den Männern hinter ihm nicht niedergetrampelt zu werden, aber auch, um zur Kriegsbeute zu gelangen. Angestrengt lauschte er auf den Lärm türkischen Geschützfeuers von der Front oder das Rasseln zurückweichender Husaren, die womöglich in Panik in ihre Richtung zurückkamen, doch er hörte nichts dergleichen. Es gab eine Menge Gewehrfeuer, aber nicht in den tosenden Wellen eines geordneten Gefechts.
    Er stolperte fast über einen abgeschlagenen Arm und sah, dass er in ein wunderliches orientalisches Tuch gehüllt war. Nach Gliedmaßen kamen Körper – zumeist türkische, manche in feinen Kettenhemden, die mit juwelenbesetzten Abzeichen und goldenen Sternen verziert waren. Die Männer um ihn herum sahen genau das Gleiche, und ein Jubelgeschrei erhob sich. Jetzt rannten sie alle, wobei sie immer weiter auseinander gerieten und sich, in Staub und Rauch, in einen Ort hinein verteilten, von dem Jack wusste, dass es eine Stadt war, vielleicht nicht so groß wie London, aber viel größer als zum Beispiel Straßburg oder München. Es war eine Zeltstadt: riesige Kegel, die von einem Mittelpfosten gestützt und nach außen hin mit vielen strahlenförmig verlaufenden Seilen verspannt waren, und von den Rändern der Kegel hingen Vorhänge als Wände herab. Die Zelte waren nicht aus grober Zeltleinwand, sondern aus besticktem Stoff, über und über mit Halbmonden, Sternen und spinnenartigen Worten verziert.
    Jack rannte in ein Zelt und spürte unter seinen Füßen einen dicken Teppich, in den ein Muster wie ineinander verschlungene Blumen gewebt war, und dann entdeckte er, an einen Pfosten angekettet, eine Katze von der Größe eines Wolfs mit einem gefleckten goldenen Fell und einem juwelenbesetzten Halsband. Er hatte noch nie eine Katze gesehen, die groß genug war, um ihn zu fressen, und so ging er rückwärts wieder aus dem Zelt hinaus und setzte seinen Weg fort. An einer Kreuzung zweier breiter Wege entdeckte er ein gekacheltes Wasserbecken, in dem große Goldfische schwammen. Das überschwappende Wasser lief in einen Graben, der zu einem mit hübschen weißen Blumen bepflanzten Garten führte.
    In einem Pflanztopf auf Rädern wuchs ein Baum, dessen Äste mit seltsamen Früchten beladen und von smaragdgrünen und rubinroten Vögeln mit Krummschnäbeln bewohnt waren, die ihm in einer ihm völlig unbekannten Sprache anspruchsvolle Flüche an den Kopf warfen. Ein toter Türke mit einem gewaltigen gewachsten Bart und einem Turban aus pfirsichfarbener Seide lag in einer Marmorbadewanne voller Blut. Andere Pikeniere und Musketiere wanderten umher, zu verblüfft, um zu plündern.
    Jack stolperte und landete mit dem Gesicht zuerst auf rotem Tuch, stand auf und stellte fest, dass er auf eine zwanzig Fuß lange scharlachrote Fahne getreten war, die mit Schwertern und heidnischen Buchstaben in Gold bestickt war. Die war zu groß zum Wegtragen, und so ließ er sie liegen und ging Zeltstraßen und Zeltalleen hinunter, die übersät waren mit zusammenklappbaren Laternen, Räucherfässchen aus geschmiedetem Silber, Musketen, deren Schäfte Einlegearbeiten aus Perlmutt, Lapislazuli und Gold trugen, pampelmusengroßen Handgranaten,Turbanen, die mit edelsteinbesetzten Abzeichen zusammengehalten waren, Handtrommeln und fassartigen Belagerungsmörsern mit ihren Geschossen daneben, die zur Hälfte mit Spinnweben aus Zündschnüren bedeckt waren. Standarten mit langen Pferdehaarquasten, gekrönt von kupfernen Halbmonden, die wie

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