Quicksilver
gottgegebenen Rechten, die (so munkelte man) irgendwo in einer Charta niedergelegt waren, und bewaffnet mit einem geladenen Gewehr.Wie ein Herr bestieg er das Pferd, ließ es geschickt wenden, lehnte sich zurück, gab ihm einen Klaps aufs Hinterteil, und weg war er. Innerhalb kurzer Zeit war er mitten durch den Knoten von Männern geritten, die hofften, den Riesenvogel zu erwischen. Ihre einzige Hoffnung bestand darin, dass ihre Beute vergaß, dass sie gejagt wurde, und zu rennen aufhörte. Jack hatte nicht die Absicht, das geschehen zu lassen, und so stieß er dem Pferd seine Stiefelabsätze in die Flanken und preschte in einer Weise hinter dem Vogel her, die so berechnet war, dass der wie der Teufel weiterrannte. Das tat er tatsächlich, und Jack galoppierte hinter ihm her und ließ seine Konkurrenz weit hinter sich. Doch der Vogel war erstaunlich geschickt. Während er rannte, spreizte er seine Flügel wie ein Akrobat seine Balancierstange mal hierhin, mal dorthin. Als Jack von hinten in diese Flügel schaute, wurde er an den Schmuck erinnert, den er auf Militärparaden an den Hüten feiner französischer Edelleute und ihrer Mätressen gesehen hatte: Das waren die Federn des, des... wie hieß er doch gleich... des Straußes.
Der Grund für das fröhliche Jagen lag jetzt auf der Hand: War der Strauß erst einmal gefangen, konnte er gerupft und seine Federn konnten auf Märkten, wo erlesene Dinge aus fernen Ländern verkauft wurden, zu Silber gemacht werden.
Nun stellte Jack eine Rechnung auf. Wenn er das ganze Lager durchstöberte, würde er vielleicht erlesenere Beutegegenstände finden – doch die Legionen des Christentums rannten alle wie wild hier herum, und es war anzunehmen, dass andere sie zuerst gefunden hatten. Die allerbesten waren gewiss von Herren zu Pferd mitgenommen worden, und die Musketiere und Pikeniere konnten sich nur noch um Kleinigkeiten streiten. Die Federn dieses Straußes waren nicht die beste Beute, die man in diesem Lager machen konnte, aber ein Spatz in der Hand war besser als eine Taube auf dem Dach, und diesen hatte er fast in der Hand. Straußenfedern waren klein und leicht, problemlos vor den neugierigen Fingern und Augen von Zöllnern zu verbergen, kein großer Ballast, falls er sie durch ganz Europa transportieren musste. Und je weiter die Jagd ging, desto besser wurden seine Chancen, denn der Strauß floh vor dem ganzen Lärm und Aufruhr und wandte sich eher den Teilen des großen türkischen Lagers zu, wo nichts los war. Wenn das Tier nur lange genug stillhielte, damit er es mit einem Schuss aus seiner Muskete niederstrecken konnte!
Der Strauß schlug mit den Flügeln, kreischte und verschwand. Jack hielt sein Pferd im Zaum und ritt wachsam weiter, bis er an den Rand eines Laufgrabens kam. Er hatte nicht die geringste Ahnung, wo er war, aber dieser Graben wirkte groß. In der Erwartung, dass sein Pferd scheute, trieb er es sanft vorwärts, doch es machte sich freudig ans Werk, setzte seine Hufe vorsichtig in die lockere Erde der Grabenböschung und bahnte sich seinen Weg nach unten. Auf dem Boden sah er frische Straußenspuren und ließ sein Pferd in diese Richtung traben.
Alle paar Ellen schnitt ein kleinerer Graben den großen im rechten Winkel. Keiner dieser Gräben verfügte über die Palisaden aus angespitzten, nach außen weisenden Stöcken, die die Türken normalerweise für den Fall eines Angriffs errichteten, sodass Jack klar wurde, dass sie nicht zu den äußeren Anlagen des Lagers gehörten, die zur Verteidigung gegen von außen angreifende christliche Armeen erbaut worden waren. Stattdessen mussten diese Gräben Teil des Sturms auf Wien sein. Rauch und Staub waren so dicht, dass Jack nicht sehen konnte, ob die Stadt vor oder hinter ihm und dem Strauß lag. Doch wenn man sich anschaute, wie die Erde auf einer Seite dieser Gräben aufgehäuft war, um die Bewohner vor Gewehrkugeln zu schützen, musste man schon sehr dumm sein, um nicht zu erkennen, in welcher Richtung die Stadt lag. Der Strauß bewegte sich auf Wien zu, und Jack tat dasselbe.
Die Wände des großen Grabens wurden stetig höher und steiler, bis sie schließlich mit Pfahlwerk und Stützmauern aus gespaltenen Baumstämmen gesichert werden mussten. Dann kamen die Mauern plötzlich über ihm zu einem Bogen zusammen. Jack hielt das Pferd an und starrte vor sich in einen dunklen Gang, der so breit war, dass er zwei oder drei Reitern nebeneinander Platz bot. Er war in den Sockel eines steilen Berges
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