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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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immer noch welche in der Gegend – wir hofften auf eine Wiederbelebung der Tradition, da die Landstreicherei der freundlichen Art in jenen finsteren Tagen zu viel Konkurrenz bekommen hatte.«
    »Was hielt Sir Winston Churchill von eurer Idee?«
    »Wollte nicht, dass sein Haus noch einmal niedergebrannt wurde – er hatte es endlich, nach zwanzig Jahren, wieder mit einem Dach decken lassen. Er war Lord Lieutenant in der Gegend – diesen Job gibt der König den Männern von Stand, die von allen die größten Arschkriecher sind – und somit berechtigt, die örtliche Miliz zu befehligen. Die meisten Lord Lieutenants sitzen die ganze Zeit über in London, aber nach der Pest und dem großen Feuer war das flache Land durch Leute wie mich, wie ich gerade erklärt habe, in Aufruhr, und so bekamen sie die Macht, nach Waffen zu suchen, Störer der öffentlichen Ordnung ins Gefängnis zu werfen, und so weiter.«
    »Bist du denn ins Gefängnis gekommen?«
    »Was? Nein, wir waren noch Kinder und sahen jünger aus, als wir waren, weil wir nicht genug aßen. Sir Winston Churchill beschloss, ein paar exemplarische Hinrichtungen durch den Strang durchzuführen, in der Regel das probate Mittel, um Landstreicher zum Weiterziehen ins Nachbarland zu veranlassen. Er suchte sich drei Männer aus und ließ sie am Ast eines Baumes aufknüpfen, und Bob und ich klammerten uns als letzte Gunst an ihre Beine, damit sie schneller starben. Dabei zogen wir Sir Winstons Blick auf uns. Bob und ich ähnelten uns, obwohl wir, soviel ich weiß, verschiedene Väter haben. Der Anblick dieser zwei völlig gleich aussehenden Kobolde, die mit einer aus der Erfahrung geborenen Unverfrorenheit ihrem Geschäft nachgingen, amüsierte Sir Winston. Er rief uns zu sich, und das war der Moment, als er (und sein Sohn John, der nur zehn Jahre älter war als ich) uns diesen Blick zuwarf, den du mir gerade zugeworfen hast.«
    »Und zu welchem Schluss kam er ?«
    »Ich ließ ihn gar nicht erst zu irgendwelchen Schlüssen kommen, sondern sagte sinngemäß: ›Sind Sie der zuständige Beamte hier?‹ Bob hatte sich bereits rar gemacht. Sir Winston lachte etwas zu herzhaft und gab zu, dass er es sei. ›Also, ich möchte mich beschweren‹, fuhr ich fort. ›Sie haben gesagt, Sie würden ein oder zwei exemplarische Hinrichtungen durchführen. Ist das ihre Auffassung von exemplarisch? Der Strick ist zu dünn, die Schlinge schlampig gemacht, der Ast kaum dick genug, um die Last zu tragen, und das Ganze wurde mit einem solchen Hang zu Pomp und Effekthascherei durchgeführt, dass die Menge in Tyburn Jack Ketchs Blut fordern würde, wenn er je eine so erbärmliche Vorstellung gäbe.‹«
    »Aber Jack, war dir denn nicht klar, dass ›exemplarisch‹ bedeutete, dass Sir Winston Churchill an ihnen ein Exempel statuierte ?«
    »Natürlich. Und genauso natürlich fing Sir Winston an, mir genau dieselbe langweilige Erklärung zu geben, die ich gerade von dir gehört habe, wobei ich ihn allerdings mit viel mehr albernen Witzen unterbrach – und mittendrin schaute der junge John Churchill zufällig einmal weg und sagte: ›Na so was,Vater, schau mal, der andere Knabe durchwühlt unser Gepäck.‹«
    »Was – Bob?«
    »Meine Vorstellung war ein Ablenkungsmanöver, um ihre Blicke auf mich zu ziehen, während Bob dies und das aus ihrem Tross stibitzte. Nur John Churchill war so clever zu begreifen, was wir da taten.«
    »Und … was dachte Sir Winston dann von euch?«
    »Er zückte seine Reitgerte. Doch John sprach sotto voce mit ihm und brachte ihn, wie ich glaube, dazu, seine Meinung zu ändern – Sir Winston behauptete nämlich dann, er habe Qualitäten in uns Shaftoe-Jungs gesehen, mit denen wir uns im Rahmen eines Regiments nützlich machen könnten. Von dem Augenblick an waren wir Stiefelputzer, Musketenreiniger, Bierholer und ganz allgemein Botenjungen für Sir Winston Churchills örtliches Regiment. Man hatte uns Gelegenheit gegeben, unter Beweis zu stellen, dass wir zu den Armen Gottes und nicht denen des Teufels gehörten.«
    »Da hast du also deine Kenntnisse im Militärwesen gesammelt?«
    »Da habe ich angefangen , sie zu sammeln. Das ist jetzt gute sechzehn Jahre her.«
    »Und da hast du vermutlich auch deine Sympathie für Leute dieser Art entwickelt«, sagte Eliza und blinzelte mit ihren blauen Augen einmal kurz zu den Vagabunden hinüber.
    »Ach, glaubst du, ich hätte dieses Karpfenfestmahl aus reiner Nächstenliebe arrangiert?«
    »Den Gedanken hatte ich schon

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