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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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    »Wozu?«
    »Eine türkische Methode – leichter zu zeigen als zu erklären. Und wenn du ein paar Minuten erübrigen könntest, um dich in der heißen Quelle etwas sauberer zu machen, als du im Moment bist – könnte die Möglichkeit, schlecht zu sein, sich von selbst ergeben.«
     
    »Also gut, proben wir es noch einmal. ›Jack, zeigt dem Gentleman diesen Ballen moirierte gelbe Seide.‹ Los jetzt, das ist dein Stichwort.«
    »Ja, Mylady.«
    »Jack, tragt mich über die Schlammlache dort drüben.«
    »Mit Vergnügen, Mylady.«
    »Sag nicht ›mit Vergnügen‹ – das klingt ungezogen.«
    »Wie Ihr wünscht, Mylady.«
    »Das ist sehr gut, Jack – eine deutliche Verbesserung.«
    »Glaub ja nicht, dass es irgendwas damit zu tun hat, dass deine Faust sich in meinem Arschloch einquartiert hat.«
    Eliza lachte fröhlich. »Faust? Es sind nur zwei Finger, Jack. Eine Faust wäre eher – so!«
    Jack hatte das Gefühl, sein Körper würde von außen nach innen gekehrt – es gab ein Gezappel und Geschrei, das jäh abbrach, als sein Kopf versehentlich in das Schwefelwasser tauchte. Eliza bekam mit der anderen Hand sein Haar zu fassen und zog seinen Kopf wieder an die kalte Luft.
    »Bist du sicher , dass sie es in Indien so machen?«
    »Möchtest du dich etwa... beschweren ?«
    »Ahh! Nie und nimmer.«
    »Denk dran, Jack: Immer wenn ernst zu nehmende und kompetente Menschen in der realen Welt etwas zuwege bringen müssen, fliegen sämtliche Gedanken an Tradition und Protokoll zum Fenster hinaus.«
    Darauf folgte eine sehr, sehr lange, geheimnisvolle Prozedur – ermüdend, aber irgendwie auch wieder nicht.
    »Wonach grabschst du da eigentlich?«, murmelte Jack schwach. »Meine Gallenblase ist gleich links.«
    »Ich versuche, ein bestimmtes Chakra ausfindig zu machen – sollte hier irgendwo liegen -«
    »Was ist ein Chakra ?«
    »Das weißt du, sobald ich es finde.«
    Einige Zeit später tat sie es, und dann nahm die Prozedur an Intensität zu, um es milde auszudrücken.Wie eine Waage auf dem Markt zwischen Elizas beiden Händen aufgehängt, konnte Jack spüren, wie sein Gleichgewichtspunkt sich verschob, während Mengen von Flüssigkeiten zwischen inneren Reservoirs hin- und hergepumpt wurden, alles als Vorbereitung auf irgendein Ereignis. Schließlich der Höhepunkt – Jacks Füße zappelten in dem heißen Wasser, als versuchte sein Körper zu fliehen, aber er war angepflockt, gepfählt. Eine Blase göttlichen Lichts, so als versuche die Sonne irrtümlich, in seinem Kopf aufzugehen. Irgendeine Art hinduistischer Apokalypse spielte sich da ab. Er starb, fuhr zur Hölle, stieg zum Himmel auf, wurde wiedergeboren in Gestalt verschiedener schreiender, kreischender und heulender Tiere und wiederholte diesen Zyklus viele Male. Am Ende wurde er, schlicht und einfach, als Mann wiedergeboren. Kein besonders munterer.
    »Hast du bekommen, was du wolltest?«, fragte sie. Ganz nah bei ihm.
    Jack lachte oder weinte eine Weile tonlos.
    »In manchen dieser seltsamen gotischen Städte«, sagte er schließlich, »haben sie alte Uhren, die so groß wie Häuser und meistens ganz eingeschlossen sind, mit einer kleinen Tür, aus der zur vollen Stunde ein Kuckuck herausspringt, um zu singen. Aber einmal am Tag machen sie etwas Spezielles, was mehrere Türen umfasst, und einmal in der Woche etwas noch Spezielleres, und zu Beginn des Jahres, Jahrzehnts oder Jahrhunderts öffnen sich, soweit ich weiß, unter lautem Knarren ganze Reihen großer Türen, alle durch Staub und Zeit versiegelt, angetrieben durch das plötzliche Sinken alter Gewichte an verrosteten Ketten, und die ganze innere Arbeitsweise dieses Gebildes offenbart sich durch diese Öffnungen. Bis dahin nie gesehene Maschinen laufen knirschend an, sonderbare und überraschende Dinge fliegen heraus – Fahnen wehen, mechanische Vögel singen, der Tod kommt heraus und tanzt einen Fandango, Engel blasen Trompete, Jesus leidet am Kreuz und haucht seinen Geist aus, eine nachgeahmte Seeschlacht wird mit wiederholtem Kanonendonner gespielt – und würdest du jetzt bitte deinen Arm aus meinem Arschloch nehmen?«
    »Das habe ich schon längst gemacht, du hast ihn mir fast gebrochen!« Dabei streifte sie das verknotete Stück Schafdarm ab, so wie eine elegante Lady einen seidenen Handschuh auszieht.
    »Ist das etwa ein Dauerzustand?«
    »Hör auf zu flennen, Jack. Vor ein paar Minuten habe ich, falls ich meinen Augen trauen kann, eine erschreckend große Menge gelbe Gallenflüssigkeit

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