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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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die Mühe gemacht, mit mir zu sprechen? Irgendeinen Grund müsst Ihr doch gehabt haben. Kommt schon, es wird lustig werden.«
    »Wo ist es denn?«, fragte Jack.
    »Im wunderschönen Harz – ein paar Tagesreisen westlich von hier.«
    »Wäre das die grobe Richtung Amsterdam?«
    »Als ich Euer türkisches Schwert erspähte, junger Herr, hielt ich Euch für eine Art von Janitschar, aber Eure Kenntnis der Länder im Westen deutet auf etwas anderes hin – selbst wenn Euer Ostlondoner Akzent Euch nicht bereits verraten hätte.«
    »Äh, gut, das heißt also ja«, murmelte Jack und führte Eliza ein paar Schritte zur Seite. »Eine freie Fahrt im Wagenzug des Doktors – das kann doch nicht allzu verkehrt sein.«
    »Der führt irgendwas im Schilde«, wandte Eliza ein.
    »Wir doch auch, Mädchen – das ist kein Verbrechen.«
    Schließlich schwebte sie zu dem Doktor zurück und räumte ein, dass sie bereit wäre, für ein paar Tage »mein Gefolge zurückzulassen«, mit Ausnahme »meines treuen Dieners und Leibwächters«, und »einen Umweg zum Harz zu machen«, um das Bergwerk zu besichtigen. Sie unterhielten sich eine Zeit lang, auf Französisch.
    »Manchmal erzählt er sehr viel, sehr schnell«, sagte Eliza zu Jack, während sie dem Doktor in einiger Entfernung durch eine Straße mit großen Handelshäusern folgten. »Ich hab versucht herauszufinden, was ein Kux in etwa kosten würde – er sagte, ich solle mir keine Gedanken machen.«
    »Komisch, und das von einem Mann, der behauptet, er versuche, Geld zu beschaffen …«
    »Er sagte, er habe mich deswegen anfangs für eine Pariserin gehalten, weil Straußenfedern wie die an meinem Hut dort gerade sehr in Mode seien.«
    »Noch mehr Schmeichelei.«
    »Nein – seine Art, mir zu sagen, dass wir einen hohen Preis verlangen sollten.«
    »Wohin bringt er uns?«
    »Ins Haus des Goldenen Merkur, die Faktorei der Familie von Hacklheber.«
    »Da haben sie uns doch schon rausgeschmissen.«
    »Er wird uns reinbringen.«
     
    Und das tat er, mittels einer geheimnisvollen Unterhaltung, die außerhalb ihrer Sichtweite in der Faktorei stattfand. Das war der größte Innenhof, den sie in Leipzig gesehen hatten: schmal, aber lang, zu beiden Seiten von gewölbten Arkaden gesäumt; ein Dutzend Kräne waren gleichzeitig dabei, Waren, von denen die Hacklhebers erwarteten, dass sie im Preis noch steigen würden, nach oben, und diejenigen, bei denen die Höchstpreise erreicht zu sein schienen, nach unten zu befördern. Am zur Straße hin gelegenen Ende befand sich, an die Wand über dem Eingangstorbogen angebaut, eine dünne, drei Stockwerke hohe Konstruktion, die freitragend über den Hof hinausragte, wie Balkone auf drei übereinander liegenden Etagen, die alle in einem Turm zusammenliefen. Sie war rundherum mit Fenstern eingefasst, außer im obersten Stock, wo ein goldenes Dach einer offenen Plattform Schutz bot und ein Paar widerlich langhalsige Wasserspeier trug, die bereit waren, Regen (wenn es regnete) über die Händler unten auszuspucken. »Erinnert mich an den Aufbau am hinteren Ende einer Galeone«, war Elizas Kommentar, und es dauerte ein Weilchen, bis Jack verstand, dass es sie an das unangenehme Erlebnis vor der Küste von Qwghlm Jahre zuvor erinnerte und (deshalb) ihre indirekte weibliche Art war, zu sagen, dass es ihr nicht gefiel. Und das trotz des daran befestigten vergoldeten Merkur in Lebensgröße, der über ihren Köpfen zum Flug anzusetzen schien und dabei seinen goldenen, von Schlangen umwundenen Stock mit dem Flügelpaar am Ende ausstreckte. »Nein, es ist eine dem Merkur geweihte Kathedrale«, entschied Jack, bemüht, ihre Gedanken von der Galeone abzulenken. »Eure Jesus geweihte Kathedrale hat die Form eines Kreuzes. Diese hier bezieht ihren Grundriss von dem Stock in seiner Hand – lang und schmal -, die Wölbungen an den Seiten entsprechen den Windungen der Schlangenkörper. Die Flügel der Faktorei erstrecken sich von seinem oberen Ende aus, wo die Kanzel des Bischofs steht, und wir Gläubigen, wir drängen uns alle unten, um die Messe zu feiern.«
    Eliza verkaufte das Zeug. Jack ging davon aus, dass sie es gut verkaufte. Er wusste, dass sie Leipzig bald verlassen würden, und so vertrieb er sich die Zeit, indem er sich umschaute.Während er zusah, wie die Ballen und Fässer an ihren Seilen auf- und abstiegen, wurde sein Blick von einem Detail angezogen: Aus vielen der zahllosen Fenster, die den Innenhof säumten, ragten kurze Stäbe waagerecht in die Luft, und

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