Quicksilver
leicht aufgefrischt und ließ die Bäume rascheln, sodass das Platschen fast übertönt wurde. Ein weniger aufmerksamer Zeuge als Daniel hätte behaupten können, er habe nichts gehört, und es wäre nicht gelogen gewesen.
Da blieb er stehen, weil sein Verstand endlich erwacht war und er Angst hatte. Er befand sich mitten in einem menschenleeren Sumpf, folgte einem Toten auf einen dunklen Fluss zu, und der Wind versuchte, seine Laterne auszublasen.
Zwei nackte Männer erschienen im Licht, und Daniel schrie auf.
Einer der Männer war hochgewachsen und hatte die schönsten Augen, die Daniel je in einem Männergesicht gesehen hatte; sie glichen den Augen auf einem Gemälde der Pieta, das Drake einmal auf ein Feuer geworfen hatte. Er sah Daniel an, als wollte er sagen: Wer wagt es, hier zu schreien?
Der andere war kleiner, und seine Reaktion bestand darin, dass er zurückfuhr. Daniel erkannte ihn schließlich als Roger Comstock, den Stipendiaten. »Wer ist da?«, fragte dieser. »Mylord?«, riet er.
»Niemandes Lord«, sagte Daniel. »Ich bin es. Daniel Waterhouse.«
»Wir sind Comstock und Jeffreys. Was macht Ihr mitten in der Nacht hier draußen?« Beide Männer waren nackt und klatschnass, ihr langes Haar fiel wirr und triefend auf ihre Schultern. Doch selbst Comstock wirkte gelassen im Vergleich zu Daniel, der trocken, bekleidet und mit einer Laterne versehen war.
»Dasselbe könnte ich Euch fragen. Wo sind Eure Kleider?«
Nun trat Jeffreys vor. Comstock war so klug, den Mund zu halten.
»Wir haben unsere Kleidung abgelegt, als wir im Fluss schwimmen gingen«, sagte Jeffreys, als wäre das ganz selbstverständlich.
Comstock erkannte das Loch in dieser Geschichte ebenso rasch wie Daniel und stopfte es hastig: »Beim Herauskommen stellten wir fest, dass wir ein Stück weit stromabwärts abgetrieben waren, und im Dunkeln konnten wir sie nicht wiederfinden.«
»Warum seid Ihr im Fluss geschwommen?«
»Wir waren diesem Schurken hart auf den Fersen.«
» Schurken?«
Der Ausbruch ließ die schönen Augen schmaler werden. Ein Ausdruck leichten Abscheus erschien auf Jeffreys Gesicht. Doch Roger Comstock war sich nicht zu schade, das Gespräch fortzusetzen: »Jawohl! Irgendein Fanatiker – ein Puritaner, möglicherweise auch ein Barker – hat gerade eben im Hof Lord Upnor herausgefordert! Ihr habt das wohl nicht gesehen.«
»Doch, ich habe es gesehen.«
»Aha.« Jeffreys drehte sich zur Seite, packte seinen tropfenden Penis mit zwei Fingern und urinierte ausgiebig auf den Boden. Dabei starrte er zum College hinüber. »Das Fenster der Kammer, die Ihr mit Lord Monmouth bewohnt, liegt ungünstig – Ihr habt Euch wohl hinausgelehnt?«
»Vielleicht habe ich mich ein wenig hinausgelehnt.«
»Wie könntet Ihr sonst gesehen haben, wie sich die beiden Männer duellierten?«
»Würdet Ihr das Duell oder Mord nennen?«
Wieder schien Jeffreys der Ekel zu packen angesichts der Tatsache, dass er mit jemandem wie Daniel ein Gespräch führte. Comstock gab eine überzeugende Zurschaustellung von gespieltem Erstaunen. »Wollt Ihr etwa behaupten, Ihr wärt Zeuge eines Mordes geworden?«
Daniel war zu verblüfft, um zu antworten. Jeffreys fuhr fort, auf den Boden zu urinieren; er hatte bereits eine große, dampfende Pfütze produziert, als hätte er vor, seine Nacktheit mit einer Wolke zu verhüllen. Er runzelte die Stirn und meinte: »Mord, sagt Ihr. Es ist also jemand gestorben?«
»Das... das nehme ich doch an«, stammelte Daniel.
»Hmmm....das Annehmen ist eine gefährliche Übung, wenn Ihr annehmt, ein Earl habe ein Kapitalverbrechen begangen. Ihr tätet gut daran, die Leiche dem Friedensrichter zu zeigen und den Coroner die Todesursache feststellen zu lassen.«
»Die Leiche ist fort.«
» Leiche, sagt Ihr. Wäre es nicht korrekt, von einem Verletzten zu sprechen?«
»Nun ja... ich habe mich nicht persönlich vergewissert, dass das Herz zu schlagen aufgehört hatte, wenn Ihr das meint.«
»Verletzter wäre somit der korrekte Begriff. Mir kam er doch sehr stark wie ein Verletzter und nicht wie ein Toter vor, als Comstock und ich ihn über die Backs verfolgten.«
»Unzweifelhaft nicht tot«, pflichtete Comstock bei.
»Aber ich habe ihn da liegen sehen -«
»Von Eurem Fenster aus?«, fragte Jeffreys, der endlich mit Pissen fertig war.
»Ja.«
»Aber jetzt seht Ihr nicht aus Eurem Fenster, nicht wahr, Waterhouse?«
»Offensichtlich nicht.«
»Danke, dass Ihr mich auf das Offensichtliche hinweist. Seid Ihr
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