Quicksilver
dass das von Comstocks Mühlen produzierte Schießpulver voller Sand sei und entweder gar nicht explodiere oder Kanonen bersten lasse. Weshalb mittlerweile jeder außer ein paar weltfremden Puritanern begriffen habe, dass die Niederlage des ersten Königs Charles nicht auf Cromwells große Feldherrnkunst, sondern auf das minderwertige Pulver zurückzuführen sei, das Comstock den Kavalieren geliefert habe. Daniel – zu Tode verängstigt – war nicht in der Lage, die genealogischen Unterschiede zwischen den so genannten silbernen und goldenen Comstocks zu begreifen. Es lief darauf hinaus, dass Roger Comstock irgendwie sein Freund werden zu wollen schien, dass er sich geradezu verzweifelt darum bemühte und dass er tatsächlich auch der prächtigste Bursche war, den man sich nur vorstellen konnte, obwohl er die Nacht damit zugebracht hatte, die Leiche eines Mordopfers in einem Fluss zu versenken.
Das Läuten von Kirchenglocken verriet ihnen, dass der Friedensrichter nun wahrscheinlich mit seinem aus Brot und Wein bestehenden Frühstück fertig war. Doch Jeffreys hatte es sich hier bequem gemacht und wollte nicht so schnell wieder weg. Von Zeit zu Zeit fing er Daniels Blick auf und starrte ihn an, als wolle er ihn herausfordern, aufzustehen und zur Tür zu gehen. Doch auch Daniel hatte es nicht eilig. In Gedanken suchte er fieberhaft nach einem Vorwand dafür, nichts unternehmen zu müssen.
Der, auf den er schließlich verfiel, ging ungefähr so: In fünf Jahren, bei Christi Wiederkunft, würde Upnor ohnehin gerichtet werden – und zwar endgültig. Welchen Sinn hatte es also, dass die weltliche Macht noch über ihn zu Gericht saß? Wäre England, wie noch vor kurzem, ein gottesfürchtiges Land, so wäre die gerichtliche Verfolgung von Louis Anglesey, Earl von Upnor, eine angemessene Ausübung staatlicher Befugnisse gewesen. Aber der König war zurückgekehrt, England war Babylon, Daniel Waterhouse und der unglückliche Puritaner, der vergangene Nacht gestorben war, waren Fremde in einem fremden Land, wie die Frühchristen im heidnischen Rom, und Daniel würde sich nur die Hände schmutzig machen, wenn er sich in eine endlose juristische Auseinandersetzung verstrickte. Am besten, er hielt sich heraus und konzentrierte sich auf das Jahr 1666.
Also kehrte er zum College of the Holy and Undivided Trinity zurück, ohne ein Wort zum Friedensrichter zu sagen. Es hatte zu regnen begonnen. Als Daniel beim College ankam, war das Gras reingewaschen.
Der Tote wurde zwei Tage später gefunden, angetrieben in einem Schilf eine halbe Meile flussabwärts. Es handelte sich um einen Fellow des Trinity College, der Hebräisch und Aramäisch studiert hatte und flüchtig mit Drake bekannt gewesen war. Seine Freunde machten die Runde und stellten Nachforschungen an, aber kein Mensch hatte etwas gesehen.
Der geräuschvolle Trauergottesdienst fand in einer primitiven Kirche statt, die man in einer Scheune fünf Meilen von Cambridge entfernt eingerichtet hatte. Genau fünf Meilen. Denn die Uniformitätsakte sah unter anderem vor, dass Unabhängige sich nicht innerhalb von fünf Meilen um eine etablierte (d.h. anglikanische) Pfarrkirche zum Gottesdienst versammeln durften, und deshalb waren in jüngster Zeit eine Menge Puritaner mit Kompassen und Landkarten zugange gewesen, und eine Menge öder Immobilien hatten den Besitzer gewechselt. Drake kam und brachte Daniels ältere Halbbrüder Raleigh und Sterling mit. Kirchenlieder wurden gesungen und Predigten gehalten, die bekräftigten, dass das Opfer seinen ewigen Lohn gefunden habe. Daniel betete ziemlich laut darum, von der wimmelnden Schlangengrube des Trinity College erlöst zu werden.
Dann musste er natürlich Ratschläge seiner älteren Verwandtschaft über sich ergehen lassen. Als Erster nahm ihn Drake beiseite.
Drake hatte sich längst an den Verlust seiner Nase und seiner Ohren gewöhnt, aber er musste nur sein Gesicht in Daniels Richtung drehen, um diesen daran zu erinnern, dass das, was er am Trinity durchmachte, halb so schlimm war. Deshalb registrierte Daniel kaum ein Wort von dem, was sein Vater zu ihm sagte. Es lief, so viel bekam er immerhin mit, ungefähr darauf hinaus, dass es für einen jungen Mann eine schwere Versuchung darstelle, jeden Abend in seine Kammer zu kommen und dort jedes Mal eine andere Hure, deren Dienste bereits bezahlt seien, in seinem Bett schlafend vorzufinden, und dass Drake das durchaus befürworte – denn er sah es als eine Möglichkeit an,
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