Quicksilver
eigenem Gusto gründeten.Weiter wagte sich Daniel in diesem Kontinuum nicht vor, da er Roger Comstocks Grenzen als Theologe bereits deutlich überschritten hatte.
Roger warf die Hände hoch und sagte lediglich: »Wegen der Unstimmigkeit mit den silbernen Comstocks haben jüngere Generationen der goldenen Comstocks ziemlich viel Zeit in der Holländischen Republik verbracht.«
Für Daniel bedeutete die Holländische Republik gottesfürchtige Orte wie Leiden, wo sich die Pilger aufgehalten hatten, ehe sie nach Massachusetts gegangen waren. Doch gleich darauf wurde deutlich, dass Roger von Amsterdam sprach. »In Amsterdam gibt es alle möglichen Kirchen. Auf Tuchfühlung. Es klingt bestimmt seltsam, aber diese Verhältnisse haben im Laufe der Jahre stark auf uns abgefärbt.«
»Was heißt das? Dass Ihr Euch daran gewöhnt habt, Euren Glauben zu bewahren, obwohl Ihr von Ketzern umringt seid?«
»Nein. Es ist eher so, als hätte ich ein Amsterdam in meinem Kopf.«
»Ein was?«
»Viele verschiedene Sekten und Glaubensrichtungen, die unentwegt miteinander streiten. Ein Babel des religiösen Disputs, das niemals verstummt. Ich habe mich daran gewöhnt.«
»Ihr glaubt an nichts!?«
Die Debatte – wenn man es als solche betrachten konnte, sich Rogers Geschwafel anzuhören – wurde durch das Eintreffen von Monmouth unterbrochen, der hereingeschlendert kam und geradezu unverschämt entspannt wirkte. Roger musste ihn eine Zeit lang betüddeln – ihm die Stiefel ausziehen, ihm das Haar lösen, ihm beim Auskleiden helfen. Dabei sorgte er für Unterhaltung, indem er davon erzählte, wie sie den mordlustigen Puritaner über die Backs in den Fluss Cam gejagt hätten. Je mehr der Herzog von dieser Geschichte hörte, desto besser gefiel sie ihm, und desto sympathischer wurde ihm Roger Comstock. Und dennoch ließ Comstock so viele schmeichlerische Bemerkungen über Waterhouse fallen, dass Daniel allmählich das Gefühl bekam, er gehöre immer noch zu der lustigen Schar; und Monmouth zwinkerte ihm sogar ein-, zweimal freundlich zu.
Schließlich kam Jeffreys mit frisch aufgearbeiteter Perücke, pelzgesäumtem Umhang, purpurrotem Seidenwams, befranster Hose, an seiner Seite baumelndem Rapier mit rubinbesetztem Heft und phantastischen Stiefeln, die oben so weit umgeschlagen waren, dass die Stulpen fast am Boden schleiften. Infolgedessen sah er doppelt so alt und zehnmal so reich aus wie Daniel, obwohl er ein Jahr jünger und wahrscheinlich abgebrannt war. Er ging dem zögernden Daniel und dem unerschütterlich gut gelaunten Comstock voran die Treppe hinunter – wobei er dort kurz stehen blieb, um noch einmal darauf hinzuweisen, dass man von hier aus unmöglich in den Hof sehen könne – und über den großen Rasen des Trinity zum Tor hinaus auf die Straßen von Cambridge, wo die mit Wasser gefüllten Wagenfurchen, in denen sich das Licht der Dämmerung spiegelte, wie träge, leuchtende Schlangen wirkten. Ein paar Minuten später langten sie beim Haus des Friedensrichters an und erfuhren, dass er zur Kirche gegangen sei. Jeffreys führte sie daher in eine Schänke, wo er bald von Dirnen umlagert war. Er ließ Essen und Trinken auftischen. Daniel saß da und sah ihm zu, wie er sich über eine große, blutige Rinderhaxe hermachte und dazu zwei Pints Ale und vier kleine Gläser des Usquebaugh genannten irischen Getränks hinunterkippte. Sie hatten keinerlei Wirkung auf Jeffreys; er gehörte zu denen, die sich sinnlos betrinken konnten und dabei nur ruhiger und gelassener wurden.
Die Dirnen belegten Jeffreys mit Beschlag. Daniel saß da und verspürte Angst – nicht die abstrakte Angst, die er pflichtschuldig zu empfinden behauptete, wenn Prediger vom Höllenfeuer sprachen, sondern eine echte körperliche Empfindung, einen Geschmack im Mund, das Gefühl, dass ihm jederzeit, von überallher, eine Klinge aus französischem Stahl in die lebenswichtigen Organe fahren und zu einem langsamen Tod durch Verbluten oder Schwären der Wunde führen könnte. Warum hätte ihn Jeffreys sonst in diese Kaschemme bringen sollen? Es war der ideale Ort, um ermordet zu werden.
Die einzige Möglichkeit, sich davon abzulenken, bestand darin, mit Roger Comstock zu reden, der weiterhin hartnäckige, aber vollkommen sinnlose Anstrengungen machte, sich einzuschmeicheln. Noch einmal näherte er sich auf Umwegen dem Thema John Comstock, mit dem er – es könne gar nicht oft genug betont werden – nichts gemein habe. Er wisse aus zuverlässiger Quelle,
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