Quicksilver
Monsieur! Wenn dem so wäre, hätten diese tapferen und gewissenhaften Männer ihn längst festgenommen. Warum stellt Ihr mir eine solche Frage?«
»Er hat sein Gesicht bedeckt als wäre er ein Freiwilliger .« Was soviel bedeutete wie ein zum Wegelagerer gewordener Soldat.
Eliza drehte sich um und sah, wie Gomer Bolstrood, einen Steinwurf entfernt, um eine Biegung des Kanals schlich (anders konnte man es nicht nennen) und dabei einen langen Streifen Schottentuch um sein Gesicht gewickelt trug.
»Leute, die in nördlichen Breiten leben, tun das oft.«
»Es macht einen äußerst verrufenen Eindruck und zeugt von schlechtem Geschmack. Wenn Euer Beau nicht einmal eine leichte Meeresbrise vertragen kann -«
»Er ist nicht mein Beau – nur ein Geschäftspartner.«
»Dann, Mademoiselle, seid Ihr ja frei, Euch morgen zur selben Stunde hier mit mir zu treffen und mir eine Lektion im Schlittschuhlaufen zu erteilen.«
»Aber Monsieur! Aus der Art, wie Ihr erschauertet, als Ihr mich saht, habe ich geschlossen, Ihr hieltet derlei Sportarten für unter Eurer Würde.«
»Das stimmt – aber ich bin Botschafter und muss mich allen möglichen Arten von Entwürdigung aussetzen …«
»Zur Ehre und zum Ruhm von La France ?«
» Pourquoi non ?«
»Ich hoffe, dass sie die Straße hier bald erweitern, Comte d’Avaux.«
»Das Frühjahr steht unmittelbar bevor – und wenn ich in Euer Gesicht schaue, Mademoiselle, spüre ich, dass es bereits da ist.«
»Es war vollkommen harmlos, Mr. Bolstrood – ich hielt sie für eine Skulptur, bis Augenpaare sich auf mich richteten.«
Sie saßen am Kamin einer pompösen Jagdhütte. Der Raum war warm genug, aber verraucht und düster und viel zu voll gestopft mit den Köpfen toter Tiere, die ihre Blicke auch auf Eliza zu richten schienen.
»Ihr meint, ich sei verärgert, aber das bin ich gar nicht.«
»Was beunruhigt Euch denn dann? Ich möchte behaupten, Ihr seid der grüblerischste Bursche, den ich je gesehen habe.«
»Diese Stühle.«
»Habe ich Euch richtig verstanden, Sir?«
»Seht sie Euch doch an«, sagte Gomer Bolstrood mit einer vor Verzweiflung dumpf klingenden Stimme. »Denjenigen, die diese Hütte gebaut haben, mangelte es nicht an Geld, das könnt Ihr mir glauben – aber die Möbel! Sie sind entweder dumm und primitiv wie dieser Thron eines Ungeheuers, auf dem ich sitze, oder – wie eures – aus Anmachholz zusammengekratzt, mit etwa so viel durchdachter innerer Struktur wie ein Reisigbündel . Ich könnte an einem Nachmittag, in trunkenem Zustand , mit einem Strauch und einem Klappmesser ausgerüstet, bessere Stühle machen.«
»Dann muss ich mich dafür entschuldigen, dass ich Euch falsch gedeutet habe, als ich annahm, Ihr wärt verärgert über diese zufällige Begegnung, dort -«
»Mein Glaube lehrt mich, dass es unvermeidlich – vorherbestimmt – war, dass Ihr ausgerechnet jetzt einen Flirt mit dem französischen Botschafter anfangt. Wenn ich überhaupt darüber grüble, dann nicht weil ich verärgert bin, sondern weil ich verstehen muss, was es bedeutet.«
»Es bedeutet, dass er ein geiler alter Bock ist.«
Gomer Bolstrood schüttelte verzweifelt seinen riesigen Kopf und schaute zu einem Fenster hinüber. Die Scheibe ächzte, als ein plötzlicher Windstoß aufgewirbelten Schnee ans Fenster trieb. »Ich bete, dass es sich nicht zu einem Aufruhr entwickelt hat«, sagte er.
»Wie groß kann denn ein Aufruhr sein, den acht erfrorene Engländer und sieben halb tote Franzosen zuwege bringen?«
»Es sind die Holländer, um die ich mir Sorgen mache. Die Nichtadligen und die Landbevölkerung ergreifen die Partei des Statthalters 49 . Die Kaufleute sind alle französiert – und da die Generalstaaten gerade hier tagen, ist die Stadt mit Letzteren voll – und alle tragen sie Degen und Pistolen.«
»Apropos französierte Kaufleute«, sagte Eliza, »ich habe ein paar gute Neuigkeiten für den Kunden – wer immer er ist – vom Warenmarkt. Wie es scheint, beging im Vorfeld des Krieges von 1672 ein Amsterdamer Bankier Verrat an der Republik …«
»Das hat so gut wie jeder von ihnen getan – aber sprecht doch weiter.«
»Als Handlanger des Marquis de Louvois kaufte dieser Verräter – Mr. Sluys mit Namen – nahezu das gesamte Blei im Land auf, um sicherzustellen, dass Wilhelms Armee nicht genügend Munition hatte. Bestimmt ging Sluys davon aus, dass der Krieg eine Sache von wenigen Tagen sei und König Ludwig ihn, hätte er erst einmal die französische
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