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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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V.O.C.-Aktien stiegen bald.«
    »Und Ihr seid – wie ich langsam zu verstehen beginne – so etwas wie eine Virtuosin, wenn es darum geht, den Geisteszustand von Männern zu manipulieren«, sagte Monmouth.
    »Ihr lasst es so schrecklich viel komplizierter klingen, als es tatsächlich ist«, erwiderte Eliza. »Meistens sitze ich einfach ruhig da und lasse die Männer sich selbst manipulieren.«
    »Gut, wenn das für den Augenblick alles ist«, sagte Monmouth, »verspüre ich einen mächtigen Drang, mich zurückzuziehen und ein bisschen Selbstmanipulation zu üben – es sei denn …?«
    »Heute nicht, Euer Gnaden«, sagte Eliza, »ich muss meine Sachen packen. Vielleicht sehe ich Euch in Amsterdam wieder?«
    »Nichts könnte mir größeres Vergnügen bereiten.«

Frankreich
    ANFANG 1685
Doch wisse du,
Daß in der Seele sich manch mindre Kraft,
Die der Vernunft, als höchster, dient, befindet;
Darunter wirkt, im Range ihr zunächst,
Die Phantasie; aus allen äußern Dingen,
Die uns die fünf wachsamen Sinne zeigen,
Formt sie die Einbildungen, Luftgestalten,
Die die Vernunft, verknüpfend oder trennend,
Zusammenfügt zu dem, was wir, bejahend
Oder verneinend, unser Wissen nennen
Oder die Meinung; und zurück sich zieht
In ihr geheimstes Fach, indes wir schlafen.
Oft, wenn sie weg ist, bleibt die Phantasie,
Die mimende, noch wach, sie nachzuahmen,
Nur daß sie oft, Gestalten falsch verbindend,
Verpfuschte Arbeit leistet, und zumal
In Träumen, wo sie Wort und Tat, die längst
Vergangen oder jüngst geschehn, verklittert.
Milton, Das verlorene Paradies
    In den ersten Monaten des Jahres 1685 ritt Jack mehrmals zwischen Paris und Lyon hin und her, um Botschaften zu überbringen. Paris: Der König von England ist tot! Lyon: Ein paar spanische Gouverneursposten in Amerika stehen zum Verkauf. Paris: König Ludwig hat heimlich Mademoiselle de Maintenon geheiratet und hört jetzt auf die Jesuiten. Lyon: Bergwerkssklaven in Brasilien zu Tausenden vom Gelbfieber dahingerafft – der Goldpreis müsste eigentlich steigen.
    Es fühlte sich auf beunruhigende Weise so an, als arbeite er für jemanden – genau die Art von Vereinbarung, die er vor langer Zeit als etwas, was unter seiner Würde war, aufgegeben hatte. Es erinnerte ihn, um es einfacher auszudrücken, zu sehr an das, was Bob machte. Deshalb musste Jack sich immer wieder darauf besinnen, dass er das ja nicht wirklich machte, sondern nur so tat als ob , um sein Pferd für den Verkauf vorzubereiten – danach würde er diesen Bankiers sagen, sie könnten ihn im Arsch lecken.
    Eines Tages – es war ein für die Jahreszeit ungewöhnlich kalter Märztag – war er auf dem Rückweg von Lyon nach Paris, als er einer Kolonne von zwanzig Männern begegnete, die auf ihn zuschlurften. Ihre Köpfe waren rasiert, und sie trugen schmutzige Lumpen – allerdings hatten die meisten von ihnen sich dafür entschieden, was immer sie an Kleidern anhatten zu zerreißen und sich um ihre blutenden Füße zu wickeln. Ihre Arme waren hinter ihrem Rücken zusammengebunden, sodass ihre hervortretenden, mit wunden Stellen und Peitschenstriemen gefleckten Rippen gut sichtbar waren. Begleitet wurden sie von einem halben Dutzend berittener Bogenschützen, die Bummler oder Ausreißer leicht abschießen konnten.
    Mit anderen Worten, wieder einmal eine Gruppe von Galeerensklaven auf dem Weg hinunter nach Marseille. Diese waren jedoch erbarmungswürdiger als die meisten anderen. Der typische Galeerensklave war ein Deserteur, Schmuggler oder Krimineller, das heißt jung und stark. Wenn eine Kolonne solcher Männer sich im Winter in Paris aufmachte, konnte man davon ausgehen, dass sie nicht mehr als die Hälfte von ihnen durch Kälte, Krankheit, Hunger oder Schläge auf dem Weg verlieren würde. Diese Gruppe dagegen schien – ebenso wie einige andere, die Jack in letzter Zeit gesehen hatte – ausschließlich aus alten Männern zu bestehen, die keinerlei Chance hatten, es bis Marseille zu schaffen – oder auch nur bis zu der Herberge, in der ihre Wachen die nächste Nacht zu verbringen gedachten. Sie markierten die Straße mit Blut, während sie sich dahinschleppten, und sie kamen so langsam vorwärts, dass die Reise Wochen dauern würde. Dabei war das eine Reise, die man in möglichst kurzer Zeit hinter sich brachte.
    Jack ritt an die Seite und wartete, bis die Kolonne an ihm vorbeigezogen war. Das Schlusslicht hinter den Bummlern bildete ein Reiter, der, als Jack zu ihm hinüberschaute, in aller Ruhe

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