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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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seinen nerf de bœuf entrollte, ihn ein oder zwei Mal um seinen Kopf schwang (um ein schreckliches Geräusch zu produzieren und Tempo aufzunehmen) und dann durch die Luft schnellen ließ, um einem Sklaven ein Stück aus seinem Ohr herauszureißen. Überaus zufrieden mit seiner Heldentat, sagte er noch etwas nicht sehr Freundliches über die R.P.R. Damit hatte Jack die Erklärung, denn R.P.R. stand für Religion Prétendue Réformée , was eine verächtliche Bezeichnung für die Hugenotten war. Hugenotten waren in der Regel wohlhabende Kaufleute und Handwerker und hatten folglich unter der Behandlung als Galeerensklaven noch viel mehr zu leiden als ein Landstreicher.
    Als Jack nur ein paar Stunden später wieder eine solche Kolonne vorbeiziehen sah, blickte er mitten in das Gesicht von Monsieur Arlanc – der seinen Blick geradewegs erwiderte. Er hatte kein Haar, seine Wangen waren grau und eingefallen vom Hunger, aber es war Monsieur Arlanc.
    Es gab nichts, was Jack in diesem Moment tun konnte. Selbst wenn er mit einer Muskete bewaffnet gewesen wäre, hätte einer der Bogenschützen einen Pfeil durch ihn hindurchgejagt, noch bevor er neu laden und einen zweiten Schuss hätte abgeben können. Doch an diesem Abend ritt er im Bogen in die Nähe einer Herberge zurück, die mehrere Meilen südlich von der Stelle lag, wo er Monsieur Arlanc gesehen hatte, und wartete, in den Dampfwolken aus den Nüstern seiner ungehaltenen und unruhigen Pferde fröstelnd, ein paar Stunden lang im Schatten und im Indigoblau der Nacht den richtigen Moment ab, bis er sicher war, dass die Wachen im Bett waren. Dann begab er sich zu dieser Herberge, bestach einen Wachposten, damit er ihm das Tor öffnete, und ritt mit seinem kleinen Pferdetross in den Stallhof.
    Mehrere Hugenotten standen einfach im Freien, splitternackt und aneinander gekettet. Manche rempelten sich in dem kläglichen Versuch, warm zu bleiben, gegenseitig an, wieder andere sahen tot aus. Monsieur Arlanc war nicht in dieser Gruppe. Ein Stallbursche schob einen Riegel an einer Stalltür zurück, ließ Jack hineingehen und lieh ihm (nachdem Jack noch mehr Silber in seine Tasche gesteckt hatte) eine Laterne. Da fand Jack den Rest der Galeerensklaven. Schwächere hatten sich in Strohhaufen vergraben, stärkere in den großen dampfenden Misthaufen, die die Ecken füllten. Unter ihnen war auch Monsieur Arlanc. Er schnarchte gerade, als der Lichtstrahl von Jacks Laterne auf sein Gesicht fiel.
    Am nächsten Morgen brach Monsieur Arlanc mit seiner Kolonne von Mitsklaven wieder auf, nicht besonders gut ausgeruht, aber mit einem Bauch voll Käse und Brot und einem Paar Stiefeln an den Füßen. Jack ritt währenddessen nordwärts, die Füße in irgendwelchen Holzschuhen, die er einem Bauern abgekauft hatte.
    Er war willens und bereit gewesen, mit Arlanc auf einem seiner Ersatzpferde von dort wegzugaloppieren, aber der Hugenotte hatte ihm ruhig und mit höchst bewundernswerter französischer Logik erklärt, warum das nicht ging: »Die anderen Sklaven werden bestraft, wenn ich morgens nicht mehr da bin. Die meisten von ihnen sind meine Religionsbrüder und würden das vielleicht akzeptieren, aber andere sind gemeine Kriminelle. Sie würden, um das zu verhindern, Alarm schlagen.«
    »Ich könnte sie einfach umbringen«, regte Jack an.
    Monsieur Arlanc – ein körperloser Kopf, der im Kerzenlicht auf einem großen, dampfenden Misthaufen ruhte – bekam einen gequälten Gesichtsausdruck. »Das müsstet Ihr der Reihe nach tun. Die anderen würden Alarm schlagen. Es ist überaus ritterlich von Euch, ein solches Angebot zu machen, wenn man bedenkt, dass wir uns kaum kennen. Ist das die Folge der Englischen Krankheit?«
    »Muss wohl«, räumte Jack ein.
    »Höchst bedauerlich«, sagte Arlanc.
    Es ärgerte Jack, von einem Galeerensklaven bemitleidet zu werden. »Eure Söhne -?«
    »Danke der Nachfrage. Als Le Roi anfing, uns zu unterdrücken -«
    »Wer zum Teufel ist Leroy?«
    »Der König, der König!«
    »Ach ja. Verzeiht.«
    »Ich habe sie nach England geschmuggelt. Und was ist mit Euren Jungs, Jack?«
    »Warten immer noch auf ihr Erbe«, entgegnete Jack.
    »Ist es Euch gelungen, Eure Straußenfedern zu verkaufen?«
    »Ich habe ein paar Armenier darauf angesetzt.«
    »Ich vermute, von Eurem Pferd habt Ihr Euch noch nicht getrennt -«
    »Bringe es gerade in Form.«
    »Um bei den Maklern Eindruck zu schinden?«
    »Makler! Was soll ich mit einem Makler? Bei den Kunden will ich Eindruck

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