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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Existenz des Schwertes zu verbergen – so wäre er, falls der Versuch an diesem Abend scheiterte, verloren. Unter diesem Gesichtspunkt war es sicherer, bis zum nächsten Morgen zu warten, wenn sie ihm die Kette abnähmen. Doch nur, um ihn, wie er vermutete, an eine ganze Kolonne anderer galériens anzuketten – wacklige Hugenotten wahrscheinlich. Und darauf wollte er nicht warten. Er musste es jetzt tun.
    Also wickelte er die Krücke ab, kräuselte die Enden der Schnur, legte sie zum letzten Rest von rotem Feuer in der Pfeifenasche und blies. Die Flamme erstarb fast, doch dann wölbte sich eine Faser der Schnur nach hinten, schrumpelte zusammen, warf ein kleines Totenhemd aus Dampf oder Rauch ab und wurde dann zu einem orangefarbenen Lichtimpuls: einem winzigen Ding, in Jacks Phantasie jedoch so groß wie ganze Bäume, die im Harz in Flammen aufgingen.
    Nach weiterem Blasen und Herumfummeln hatte er einen Hauch von gelber Flamme in der Feuerstelle. Während er mit einer Hand mehr Schnur nachlegte, tastete er blind nach Anzündmaterial, das irgendwo in der Nähe aufgestapelt sein musste. Da er nur ein paar kleine Zweige fand, war er gezwungen, das Schwert zu ziehen und Späne von der Krückenstange abzuschaben. Die überdauerte das nicht lange, und schon bald hobelte er Späne von Pfosten und Balken und hackte Bänke und Stühle klein. Doch schließlich war es groß und heiß genug, um Kohle zu entzünden, die in Mengen vorhanden war. Jack fing an, immer wieder eine Hand voll davon in sein kleines Feuer zu werfen, während er mit der anderen Hand den Blasebalg betätigte. Anfangs lag die Kohle wie schwarze Steine im Feuer, doch dann zog ihr scharfer, schwefliger Geruch in den Stall, und das Feuer wurde weiß, und die Hitze der Kohle zerstörte die restlichen Holzteilchen, und das Feuer wurde zu einem in einer Kette eingeschlossenen Meteor – denn Jack hatte den mittleren Teil seiner Kette in einer Schlaufe darum gelegt. Das kalte Eisen vergiftete das Feuer, saugte Leben aus ihm heraus, aber Jack häufte mehr Kohle darauf und bearbeitete den Blasebalg, und schon bald hatte das Metall eine kastanienbraune Farbe angenommen, die verschiedenen Rotschattierungen wich. Die Hitze des lodernden Feuers trocknete zuerst den feuchten Dung, der Jacks Haut überall bedeckte, und brachte ihn dann zum Schwitzen, sodass ganze Mistkrusten von ihm abblätterten.
    Die Tür ging auf. » Où est le maréchal-ferrant? », fragte jemand.
    Die Tür ging weiter auf – weit genug, um ein Pferd durchzulassen – und genau das tat sie. Das Pferd wurde von einem Schotten mit einer großen Perücke geführt – oder vielleicht auch nicht . Er trug so etwas wie einen Kilt, aber der war aus rotem Satin , und über eine Schulter hatte er ein lächerliches Etwas geworfen: eine ganze Schweinshaut, zugenäht und mit Stroh ausgestopft, damit es so aussah, als wäre sie mit Luft gefüllt, aus der Trompeten, Flöten und Tinwhistles herausbaumelten, die Karikatur eines Dudelsacks. Sein Gesicht war mit Färberwaid blau angemalt. Oben auf seine Perücke war eine Schottenmütze mit einem Durchmesser von ungefähr drei Fuß geheftet, und in seinem Gürtel trug er dort, wo ein Edelmann sein Schwert in die Scheide stecken würde, einen Holzhammer. Daneben hingen in einem Holster mehrere Whiskykrüge.
    Das Pferd war eine tänzelnde Schönheit, schien aber ein Bein zu schonen – auf dem Ritt hierher hatte es ein Eisen verloren.
    » Maréchal-ferrant ?«, wiederholte der Mann und schielte in seine Richtung. Jack erkannte, dass er, Jack, nur als Silhouette gegen das helle Feuer zu sehen war und das Halsband somit vielleicht nicht auffiel. Er legte eine Hand hinter seine Ohrmuschel – Schmiede waren bekannt für ihre Schwerhörigkeit. Das schien die Frage zu beantworten – der »Schotte« führte sein Pferd zur Schmiede, schimpfte weiter über ein fer à cheval und ging so weit, einen Blick auf seine Taschenuhr zu werfen. Jack war verärgert. Fer bedeutete »Eisen«, fer à cheval , wie er genau wusste, »Hufeisen«. Ihm war aber gerade aufgegangen, dass »farrier«, das englische Wort für Hufschmied, irgendwie davon abgeleitet sein musste – auch wenn »Horseshoe«, Hufeisen, etwas vollkommen anderes war. Er wusste ganz vage – aus gewissen Historienspielen, die er gesehen hatte, und außerdem vom Umherstreifen durch La France und vom Zuhören, wenn die Leute sich unterhielten -, dass Franzosen England mindestens einmal erobert und dabei die englische

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