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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Sprache mit allen möglichen Wörtern wie »farrier« und »mutton« durchsetzt hatten, die das gemeine Volk heute ständig benutzte, ohne zu wissen, dass es die Sprache der Eroberer sprach. Mittlerweile hatten die verfluchten Franzosen eine ordentliche und genaue Sprache, in der zum Beispiel der Name des Burschen, der Eisen auf Pferdehufe schlug, eindeutig mit dem Wort für Hufeisen verbunden war. Das brachte sein Blut zum Kochen – und jetzt, wo James König war, Leute, macht euch auf was gefasst!
    » Quelle heure est-il?«, fragte Jack schließlich. Der »Schotte« begann, ohne sich auch nur einen Moment darüber zu wundern, warum ein maréchal-ferrant die Uhrzeit wissen musste, sofort wieder mit dem Ritual, seine Taschenuhr herauszuziehen, den Deckel zu öffnen und die Zeit abzulesen. Um das zu tun, musste er ihre Oberseite dem Feuer zuwenden und sich dann selbst umdrehen, damit er sie sehen konnte. Jack wartete geduldig, bis das passiert war, und gerade als der »Schotte« irgendetwas mit sept lispelte, riss Jack die Kette aus dem Feuer und warf sie ihm um den Hals.
    Jetzt war Würgezeit im fröhlichen Paris. Dummerweise landete der rotglühende Teil der Kette gerade an der Gurgel des »Schotten«, sodass Jack ihn nicht packen konnte, ohne vorher die Werkzeugkiste nach einer Zange zu durchwühlen. Doch er hatte offensichtlich schon soviel Schaden angerichtet, dass der »Schotte« keinen Lärm mehr verursachen konnte.
    Sein Pferd war eine andere Sache: Es wieherte und wich zurück und machte Anstalten zu bocken. Das war ein Problem, aber Jack musste die Dinge der Reihe nach angehen. Er löste das Zangenproblem und tötete den »Schotten« in einer großen zischenden Wolke, die aus gegrilltem Halsfleisch entwich – was, dessen war er sicher, in manchen Teilen Frankreichs eine Delikatesse sein musste. Dann schälte er die heiße Kette ab, wobei er ein paar Stücke vom Hals mitnahm, und warf sie wieder ins Feuer. Nachdem er das erledigt hatte, wandte er sich – eher widerwillig – dem Pferd zu. Er fürchtete, dass es inzwischen womöglich durch die offene Stalltür hinausgelaufen war und draußen im Stallhof die Aufmerksamkeit auf sich gelenkt hatte. Doch seltsamerweise war die Stalltür geschlossen und wurde gerade von einem schlanken jungen Mann verriegelt, der ein Sortiment von nicht besonders guten Kleidern trug. Er hatte offensichtlich die Zügel des Pferdes gepackt und an einen Pfosten gebunden und außerdem die Geistesgegenwart besessen, dem Tier einen Strohsack über den Kopf zu werfen, damit es von dem beunruhigenden Anblick, der sich ihm hier jetzt überall bot, nichts mehr sehen konnte.
    Danach drehte der Zigeunerjunge – er war ganz bestimmt ein Zigeuner – sich zu Jack um und machte mit finsterer Miene eine formale kleine Verbeugung. Er war barfuß – und war wahrscheinlich auf dem Weg über die Dächer hierher gekommen.
    »Ihr müsst Schuss-in-den-Ofen-Jack sein«, sagte er, als wäre das nicht lustig. Er sprach Rotwelsch.
    »Wer bist du?«
    »Das tut nichts zur Sache. St-George hat mich hergeschickt.« Der Junge kam näher, wobei er sorgfältig vermied, auf die glühenden Kohlen zu treten, die auf dem Boden verstreut worden waren, als Jack die Kette herausgezogen hatte, und machte sich daran, den Blasebalg zu betätigen.
    »Was hat St-George dir aufgetragen zu tun?«, fragte Jack, während er noch mehr Kohle aufs Feuer warf.
    »Zu schauen, welche Art von Hilfe Ihr während der Aufführung brauchen könntet.«
    »Was für eine Aufführung sollte das sein?«
    »Er hat mir nicht alles gesagt.«
    »Warum sollte St-George sich eine solche Mühe machen?«
    »St-George ist wütend auf Euch. Er sagt, Ihr hättet Euch schlecht benommen.«
    »Was wirst du ihm erzählen?«
    »Ich werde ihm erzählen«, sagte der Junge und lächelte zum ersten Mal, »dass l’Emmerdeur seine Hilfe nicht braucht.«
    »Genau so ist es«, entgegnete Jack und packte den Griff des Blasebalgs. Der Junge drehte sich um, lief durch den Stall und verschwand durch eine Öffnung im Dachgesims, von deren Existenz Jack nichts gewusst hatte.
    Während die Kette heiß wurde, vergnügte Jack sich damit, die Kleider seines Opfers zu durchwühlen und zu erraten, wie viele Goldstücke sich in dessen Geldbeutel befanden. Nach ein paar Minuten (laut der Taschenuhr, die offen auf dem Boden lag) griff Jack mit der Zange ins Feuer und zog ein Stück gelbglühende Kette heraus. Bevor sie wieder abkühlen konnte, legte er die Kette über einen

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