Quicksilver
einzige Gefangene, der nicht auf eine Galeere gebracht wurde, war Mr. Vliet, der in der Bilge, wo er sich versteckt gehalten hatte, aufgestöbert worden war. Der Holländer wurde auf Deck gebracht, nackt ausgezogen und über ein Fass gebunden. Jetzt war ein Afrikaner dabei, ihn ohne Rückhalt durchzuficken.
»Was war das für ein wirres Zeug, was Ihr da vom Vormars herunterphantasiert habt?«, fragte Mr. Foot. »Niemand konnte ein Wort von dem verstehen, was Ihr gesagt habt.Wir haben uns nur gegenseitig angeguckt -« Mr. Foot stellte pantomimisch ein ratloses Achselzucken dar.
»Dass ihr alle lieber zeigen solltet, was für großartige Kämpfer ihr seid«, fasste Jack zusammen, »sonst würden sie euch sofort in Ketten legen.«
»Aha«, sagte Mr. Foot, der zu diplomatisch war, um zu erwähnen, dass das in Jacks Fall nicht funktioniert hatte. Obwohl ein diskretes Augenzwinkern von manchen der blutenden, sonnenverbrannten armen Teufel Jack sagte, dass seine partielle Enthauptung dieses einen Sklaventreibers ihn unter Galeerensklaven vielleicht ebenso berühmt machen würde, wie er es einst unter Landstreichern gewesen war.
»Was kümmert Euch das überhaupt?«, fragte Mr. Foot ein paar Minuten später, da nichts darauf hindeutete, dass die anale Vergewaltigung seines ehemaligen Geschäftspartners bald zu einem Höhepunkt käme. Das Fass, das Mr. Vliet trug, hatte sich langsam über das Deck der Wunden Gottes bewegt, bis es an einer Reling stehen blieb und jetzt wie eine Trommel dröhnte. »Ihr seid ohnehin nicht mehr lange von dieser Welt.«
»Falls Ihr je nach Paris kommt, könnt Ihr diese Frage mit St-George, mort-aux-rats , besprechen«, sagte Jack. »Er hat mir einiges über korrektes Benehmen beigebracht. Ich habe einen Ruf, wisst Ihr -«
»So heißt es.«
»Ich hatte gehofft, dass Ihr oder einer der jüngeren Männer ein bisschen Tapferkeit zeigen und ein Janitschar werden und eines Tages wieder ins Christentum zurückkehren und die Geschichte meiner Taten gegen die Barbarei-Korsaren erzählen würdet. Damit jedermann wüsste, wie meine Geschichte ausging, und dass sie gut ausging. Das ist alles.«
»Nun ja, dann sprecht nächstes Mal deutlicher«, sagte Mr. Foot, »wir haben nämlich buchstäblich kein Wort von dem verstanden, was Ihr gesagt habt.«
»Ja, ja«, blaffte Jack – der hoffte, dass er nicht an dasselbe Ruder gekettet würde wie Mr. Foot, der schon ein Langweiler wurde. Er seufzte. »Das ist vielleicht ein gewaltiger Arschfick!«, staunte er. »Wie direkt aus der Bibel!«
»Im Buch der Bücher gibt’s keinen Arschfick!«, empörte sich Mr. Foot.
»Woher soll ich das denn wissen?«, sagte Jack. »Haltet Euch zurück! Ich werde schon bald an einem Ort sein, wo alle unablässig Bibel lesen.«
»Himmel?«
»Klingt das für Euch nach Himmel?«
»Tja, wie’s aussieht, bringen sie mich zu einem anderen Ruder, Jack«, sagte Mr. Foot. Tatsächlich wurde gerade ein Toter von einem Ruder am Heck losgeschnitten und Mr. Foot dafür herbeigewunken. »Wenn wir uns also nie wieder sprechen sollten – was anzunehmen ist – fahrt wohl!«
»Fahrt wohl? Fahrt wohl! Wie kann man so was denn zu einem Galeerensklaven sagen?«, waren Jacks letzte Worte, jedenfalls vermutete er das, an Mr. Foot.
Mr.Vliet wurde gerade von zwei Janitscharen über Bord geschoben. Jack hörte das Platschen just in dem Moment, als er sich auf die kotbeschmierte Bank setzte, auf der er rudern würde, bis er starb.
BUCH DREI
Odaliske
Zu allen Zeiten sind Könige und Personen von souveräner Macht aufgrund ihrer Unabhängigkeit beständig in Eifersüchteleien befangen und gleichen in Gemütszustand und Haltung Gladiatoren, die ihre Waffen und ihre Augen aufeinander richten; es sind diese die Forts, Garnisonen und Geschütze an den Grenzen ihrer Reiche und die Spione, die sie fortwährend zu ihren Nachbarn schicken; das alles ergibt eine kriegerische Haltung.
Hobbes, Leviathan
Whitehall Palace
FEBRUAR 1685
Wie ein Reiter, der einen wilden Hengst zügelt, nachdem dieser ihn aufs Geratewohl durch mehrere Grafschaften getragen hat; oder der Kapitän eines Schiffs, der die Segel hisst, nachdem er eine schlimme Nacht lang vor einem Sturmwind dahingejagt ist, und sich abermals aufmacht, unbekannte Gewässer zu durchfahren – so sah Dr. Daniel Waterhouse anno domini 1685 zu, wie Charles II. in Whitehall Palace starb.
Geschehen war viel in den vorangegangenen zwölf Jahren, aber geändert hatte sich eigentlich nichts. Daniels Welt
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