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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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zwischen der Hure von Babylon alias katholische Kirche und der Handelsfreiheit, der Gewissensfreiheit, der konstitutionellen Monarchie und diversen anderen guten angelsächsischen Tugenden spielte, der in circa zehn Minuten beginnen würde.
Bei Hofe machen sich die Katholiken mittlerweile ungehemmter breit, als sie es je seit der Reformation getan.
John Evelyns Tagebuch
    Alle diese Gedanken machten ihm so furchtbare Angst, dass er vor dem Eingang des St. James’s Palace beinahe auf die Knie gesunken wäre. Das wäre so peinlich gewesen, wie es sich anhörte; die Höflinge, die zu den Türen ein und aus gingen, und die Gardegrenadiere, die sich an den blauen, windgepeitschten Flammen der Wandfackeln die Hände wärmten, hätten ihn wahrscheinlich als verrückten Puritaner abgestempelt, den ein Pfingstanfall gepackt hatte. Daniel jedoch blieb auf den Füßen und schleppte sich Treppen hinauf in den Palast. Er hinterließ matschige Fußabdrücke auf dem polierten Stein: machte im Gehen eine Schweinerei und hinterließ reichlich Spuren, was für einen Verschwörer ein ziemlich bescheidener Anfang zu sein schien.
    St. James’s war geräumiger als die Suite in Whitehall, in der James früher gewohnt hatte, und das hatte ihm (wie Daniel erst jetzt begriff) den nötigen Platz verschafft, sich seinen eigenen, persönlichen Hof zusammenzustellen, der sich im Handumdrehen durch den Park befördern und gegen den von Charles austauschen ließ. Daniel hatte diesen Hof stets als eine merkwürdige Ansammlung von religiösen Schwarmgeistern und mediokren Figuren empfunden. Jetzt verfluchte er sich dafür, dass er nicht genauer auf sie geachtet hatte. Einige davon waren Akteure, die letztlich die gleichen Rollen spielen und den gleichen Text daherplappern würden wie diejenigen, die sie ersetzten, doch andere hatten (wenn Daniels Überlegungen auf den Privy Stairs nicht vollkommen grundlos waren) einzigartige Wahrnehmungen. Er täte gut daran, sie zu erkennen.
    Während er sich tiefer in den Palast hineinbewegte, sah er allmählich weniger Gardegrenadiere und mehr wohlgeformte, grün bestrumpfte Waden, die unter Volantröcken hin und her trippelten. James hatte fünf Hauptmätressen, darunter eine Gräfin und eine Herzogin, und sieben Nebenmätressen, vorwiegend lustige Witwen wichtiger toter Männer. Die meisten waren Ehrendamen, d.h. Angehörige des herzoglichen Haushalts und von daher berechtigt, sich nach Belieben im St. James’s Palace herumzutreiben. Daniel, der sich aus sportlichem Interesse bemühte, den Überblick über dergleichen zu behalten, und der aus dem Gedächtnis mühelos die Mätressen des Königs hätte aufzählen können, hatte über die des Herzogs komplett den Überblick verloren. Es war jedoch empirisch belegt, dass der Herzog jeder jungen Frau mit grünen Strümpfen nachstieg, was es erheblich vereinfachte, sich im St. James’s Palace Klarheit zu verschaffen: Man musste nur Fußknöchel betrachten.
    Von den Mätressen ließ sich nichts erfahren, zumindest so lange nicht, wie er nicht ihre Namen kannte und sich eingehender mit ihnen befasst hatte.Wie stand es mit den Höflingen? Einige waren mit »Höfling« oder »hirnloser Stutzer« erschöpfend beschrieben, andere dagegen musste man in der vollen Bandbreite ihrer Wahrnehmungen kennen und verstehen. Daniel zuckte vor dem Anblick eines Menschen zurück, den man, hätte er nicht die Kleidung eines französischen Edelmanns getragen, für einen Lumpenkerl hätte halten können. Sein Kopf schien aus irgendeinem grässlichen Experiment der Royal Society hervorgegangen zu sein, bei dem man die Köpfe zweier verschiedener Männer genommen, sie entlang der Mittelachse geteilt und die beiden nicht zusammengehörenden Hälften aneinander gefügt hatte. Der Mann zuckte häufig zur Seite, als stritten die beiden Kopfhälften darum, was sie ansehen sollten. Ab und zu erreichte die Auseinandersetzung irgendeinen toten Punkt, worauf er ein paar Sekunden lang mit offenem Mund und vorsichtig den Raum sondierender Zunge starr und stumm dastand. Dann blinzelte er und redete weiter, eine stark akzentgefärbte, weitschweifige Suade, die einem jüngeren Offizier – John Churchill – galt.
    Der besseren Hälfte seines Kopfes nach zu urteilen war dieser seltsame Franzose zwischen vierzig und fünfzig Jahre alt. Es handelte sich um Louis de Duras, einen Neffen von Marschall Turenne, aber naturalisierten Engländer. Weil er die richtige Engländerin geheiratet und Charles zu sehr

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