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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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hohen Einkünften verholfen hatte, hatte er die Titel eines Baron Throwley, Viscount Sondes und Earl von Feversham erworben. Feversham (wie er im Allgemeinen genannt wurde) war Kammerherr von König Charles II., was bedeutete, dass er im Augenblick eigentlich hätte in Whitehall sein müssen. Dass er es nicht war, hätte als Erweis grober Unfähigkeit gelten können. Aber er war außerdem Befehlshaber der Garde-Kavallerie. Das lieferte ihm einen Vorwand für seine Anwesenheit hier, da James als höchst unbeliebter, aber gesunder künftiger König sehr viel dringender einer Garde bedurfte als Charles, ein allgemein beliebter König an der Schwelle des Todes.
    Um die Ecke und in die nächste Halle, in der es so kalt war, dass den Leuten beim Rede Dampfwölkchen aus dem Mund entwichen. Daniel erblickte Pepys und steuerte auf ihn zu. Doch dann blies ein Windstoß, der durch einen verzogenen Fensterrahmen eindrang, eine Dampfwolke vom Gesicht des Mannes, mit dem sich Pepys unterhielt. Es war Jeffreys. Seine schönen Augen, die mittlerweile in einem aufgedunsenen, geröteten Gesicht gefangen waren, richteten sich auf Daniel, der sich einen Moment lang vorkam wie ein kleines, vom hypnotischen Starrblick einer Schlange gelähmtes Tier. Aber er besaß so viel Geistesgegenwart, den Blick abzuwenden und durch eine günstig gelegene Tür in eine Galerie zu schlüpfen, die mehrere Privaträume des Herzogs miteinander verband.
    Irgendwo in den Tiefen dieser Räume dürfte, von allem abgeschieden und vermutlich halb von Sinnen vor Elend, Maria Beatrice d’Este alias Maria von Modena – James’ zweite Frau – leben. Daniel versuchte, nicht daran zu denken, wie ihr Leben wohl aussah: eine italienische Prinzessin, aufgewachsen in der Mitte zwischen Florenz, Venedig und Genua, saß sie nun für immer hier fest, umgeben von den Mätressen ihres syphilitischen Ehemanns, die ihrerseits von Protestanten, welche ihrerseits von kaltem Wasser umgeben waren, und ihr einziger Daseinszweck bestand darin, ein männliches Kind zu gebären, damit es einen katholischen Thronfolger gab, doch bis jetzt war ihr Leib unfruchtbar geblieben.
    Sehr viel heiterer schaute da schon Catherine Sedley, die Gräfin von Dorchester, drein, die von vornherein reich gewesen war und sich inzwischen, indem sie zwei von James’ unzähligen illegitimen Söhnen zur Welt gebracht, ihre Altersversorgung gesichert hatte. Sie war nicht attraktiv, sie war nicht katholisch, und sie hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, grüne Strümpfe anzuziehen – dennoch übte sie mehr als jede seiner anderen Mätressen irgendeine geheimnisvolle, nicht zu definierende Macht über James aus. Sie kam gerade tête-à-tête mit einem Jesuiten die Galerie entlanggeschlendert: Pater Petre, der unter anderem dafür zuständig war, sämtliche illegitimen Kinder von James zu guten Katholiken zu erziehen. Daniel erhaschte einen Moment echter Erheiterung in Miss Sedleys Gesicht und vermutete, dass der Jesuit ihr gerade irgendeine Geschichte von den Streichen ihrer Söhne erzählte. In der fensterlosen, von wenigen Kerzen schwach erleuchteten Galerie konnte Daniel für die beiden kaum mehr als eine undeutliche Erscheinung sein – ein fahles Gesicht und viel dunkle Kleidung – ein puritanisches Phantom, eine schlechte Erinnerung der Art, wie sie die nervösen Angehörigen der Königsfamilie, die den Bürgerkrieg überlebt hatten, immerzu verfolgte. Das liebevolle Lächeln wich wachsamen Blicken in seine Richtung: War das ein geladener Gast oder ein Fanatiker, ein hashishin? Daniel war hier auf groteske Weise fehl am Platze. Doch seine Jahre am Trinity hatten ihn daran gewöhnt. Er verbeugte sich vor der Gräfin von Dorchester und wechselte so etwas wie einen säuerlichen Gruß mit Pater Petre. Diese Leute mochten ihn nicht, wollten ihn nicht hier sehen, würden niemals in irgendeinem aufrichtigen Sinne freundlich zu ihm sein. Und dennoch lag hier eine Symmetrie vor, die ihm zu schaffen machte. Er hatte wachsame Neugier in ihren Gesichtern gesehen, dann ein Wiedererkennen, und nun hatten sich höfliche Masken über ihre geheimen Gedanken gelegt, während sie sich fragten, warum er hier war, und versuchten, Daniel Waterhouse in ein größeres Bild einzupassen.
    Doch wenn Daniel sich einen Spiegel vor das Gesicht gehalten hätte, hätte er genau die gleiche Entwicklung gesehen.
    Er war einer von ihnen. Nicht so mächtig, nicht von so hohem Rang – ja, völlig ohne jeden Rang -, aber er war

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