Quicksilver
waren umringt von einem undeutlichen Kreis von Höflingen, die in ihre kostbaren Ärmel hüstelten und mit den Füßen scharrten. Ab und zu klirrte ein Sporn.
Daniel verbeugte sich. James schien es nicht zu bemerken. Sie betrachteten einander ein paar Augenblicke lang. Charles hätte an dieser Stelle bereits irgendeine witzige Bemerkung gemacht, das Eis gebrochen, Daniel wissen lassen, wo er stand, doch James sah Daniel nur erwartungsvoll an.
»Wie geht es meinem Bruder, Dr. Waterhouse?«, fragte James.
An der Art, wie die Frage gestellt wurde, erkannte Daniel, dass James keine Ahnung hatte, wie krank sein Bruder wirklich war. James war jähzornig; jeder wusste das; niemand hatte den Mut, ihm die Wahrheit zu sagen.
»Euer Bruder wird in einer Stunde tot sein«, verkündete Daniel.
Als würden bei einem Küfer die Dauben eines Fasses zusammengezogen, schloss sich der Ring von Höflingen enger um die beiden.
»Sein Befinden hat sich also verschlechtert?«, rief James aus.
»Er war die ganze Zeit an der Schwelle des Todes.«
»Warum hat man mir das bis jetzt nicht ohne Umschweife gesagt?«
Die richtige Antwort lautete höchstwahrscheinlich, dass man es ihm sehr wohl gesagt und er es schlicht nicht begriffen hatte; aber das konnte niemand sagen.
»Ich habe keine Ahnung«, antwortete Daniel.
Roger Comstock, Samuel Pepys und Daniel Waterhouse befanden sich im Vorzimmer von Whitehall.
»Er hat gesagt: ›Ich bin von Menschen umgeben, die Angst haben, mir die Wahrheit ins Gesicht zu sagen.‹ Er hat gesagt: ›Ich bin nicht so kompliziert wie mein Bruder – nicht kompliziert genug, um König zu werden.‹ Er hat gesagt: ›Ich brauche Eure Hilfe, und ich weiß es.‹«
»Das alles hat er gesagt!?«, entfuhr es Roger.
»Natürlich nicht«, sagte Pepys verächtlich, »aber gemeint hat er es.«
Das Vorzimmer hatte zwei Türen. Eine führte nach London, und dahinter schien denn auch halb London versammelt. Die andere führte in die Schlafkammer des Königs, wo sich, um das Bett des sterbenden Monarchen herum, James, der Herzog von York, die Herzogin von Portsmouth, die Charles’ Hauptmätresse war, Pater Huddlestone, ein katholischer Priester, und Louis de Duras, der Earl von Feversham, aufhielten.
»Was hat er noch gesagt?«, verlangte Roger zu wissen. »Oder besser gesagt, was hat er noch gemeint?«
»Er ist beschränkt und steif, also braucht er jemand Gescheiten und Flexiblen. Offenbar stehe ich in dem Ruf, beides zu sein.«
»Ausgezeichnet!«, rief Roger aus und zeigte damit etwas mehr Fröhlichkeit, als es unter den gegebenen Umständen wirklich angemessen war. »Ihr habt Mr. Pepys dafür zu danken – der Herzog vertraut Mr. Pepys, und Mr. Pepys wusste nur Gutes über Euch zu berichten.«
»Danke, Mr. Pepys...«
»Keine Ursache, Dr. Waterhouse!«
»...dass Ihr dem Herzog gesagt habt, ich besäße die Bereitwilligkeit eines Feiglings, meine Prinzipien zu verbiegen.«
»So sehr es mir widerstrebt, derart gemeine Lügen über Euch zu erzählen, Daniel, bin ich dazu bereit, um einem guten Freund einen persönlichen Gefallen zu tun«, antwortete Pepys umgehend.
Roger ignorierte diesen Wortwechsel und fragte: »Hat seine königliche Hoheit Euch um irgendeinen Rat gebeten?«
»Ich habe ihm, während wir durch den Park stapften, gesagt, dass dies ein protestantisches Land ist und er einer religiösen Minderheit angehört. Er war verblüfft.«
»Es muss ein schwerer Schlag für ihn gewesen sein.«
»Ich habe vorgeschlagen, er solle aus seinem syphilitischen Schwachsinn Kapital schlagen – dieser bringe seine menschliche Seite zum Vorschein und erkläre zum Teil sein Verhalten.«
»Das habt Ihr nicht wirklich gesagt!«
»Dr. Waterhouse wollte lediglich feststellen, ob Ihr auch Acht gebt, Mylord«, erklärte Pepys.
»Er hat mir schon vor zwanzig Jahren in Epsom gesagt, dass er Syphilis hat«, sagte Daniel, »und das Geheimnis – damals war es noch eins – kam nicht sofort heraus. Vielleicht ist das der Grund, warum er mir traut.«
An derart alten Informationen hatte Roger keinerlei Interesse. Seine Augen waren auf die gegenüberliegende Ecke des Zimmers gerichtet, wo Pater Petre Schulter an Schulter mit Barrillon, dem französischen Botschafter, saß.
Eine der Türen ging auf. Dahinter lag in einem fleckigen Bett ein toter Mann. Pater Huddlestone, der gerade die letzten Verse der letzten Ölung herunterbetete, machte das Kreuzzeichen. Die Herzogin von Portsmouth weinte in ein Taschentuch, und
Weitere Kostenlose Bücher