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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Gold machte.
    Auf einem Schreibpult sah er lateinisch geschriebene Briefe von Herren aus Prag, Neapel, St-Germain, adressiert an JEOVA SANCTUS UNUS. Durch Lücken zwischen ihnen sah Daniel Teile einer großen Zeichnung, die an die Platte des Schreibpults geheftet worden war. Sie sah aus wie der Grundriss eines Gebäudes. Daniel schob ein paar Papiere und Bücher beiseite, um mehr davon freizulegen. Er fragte sich, ob Isaac – wie Wren, Hooke und Daniel selbst – unter die Architekten gegangen war.
    Isaac schien einen quadratischen, ummauerten Hof mit einem rechteckigen Bauwerk in der Mitte zu entwerfen. Daniel ließ ein Trapezoid von Laternenlicht über einen Absatz Geschriebenes gleiten und las Folgendes: Der nämliche Gott gab Moses die Abmessungen des Tabernakels und David & Hesekiel die des Tempels mit seinen Höfen, und Er änderte dabei nicht das Verhältnis der Teile untereinander, sondern verdoppelte im Falle des Tempels lediglich die Größe … Salomon und Hesekiel stimmen also überein und sind doppelt so groß wie Moses.
    » Ich versuche lediglich zurückzugewinnen, was Salomon wusste«, sagte Isaac.
    Weil Daniel wusste, dass das Laternenlicht Isaacs verbrannte Augen blenden würde, hob er die Laterne hoch und blies sie aus, ehe er sich umdrehte. Isaac war leise eine Steintreppe heruntergekommen. In seinem Atelier im ersten Stock brannten Kerzen, die den Stein hinter ihm mit orangefarbenem Licht wärmten. Er war eine schwarze, in einen Hausmantel gekleidete Silhouette, sein Kopf mit Silber umhüllt. Er hatte seit Collegezeiten nicht zugenommen, was kein Wunder war, wenn man den Gerüchten über seine Essgewohnheiten Glauben schenken konnte.
    »Ich kann nicht umhin, mich zu fragen, ob du – vielleicht sogar ich – nicht verdammt viel mehr über praktisch jedes Thema weißt, als Salomon je gewusst hat«, sagte Daniel.
    Isaac blieb einen Moment lang stumm, aber irgendetwas an seiner Silhouette machte einen gekränkten oder traurigen Eindruck.
    »Es steht alles in der Bibel, Daniel. Erstes Kapitel: der Garten Eden. Letztes Kapitel: die Apokalypse.«
    »Ich weiß, ich weiß, am Anfang war die Welt vollkommen gut und ist seither immer schlimmer geworden, und es bleibt nur die Frage, wie schlimm sie noch werden wird, ehe Gott den Vorhang fallen lässt. Ich bin in dem Glauben erzogen worden, dass diese Tendenz ebenso unumstößlich und unvermeidlich ist wie die Schwerkraft, Isaac. Aber die Apokalypse ist 1666 ausgeblieben.«
    »Sie wird sich nicht lange nach 1867 ereignen«, sagte Isaac. »Das ist das Jahr, in dem das Tier fallen wird.«
    »Die meisten anglikanischen Spinner rechnen für 1700 mit dem Ende der katholischen Kirche.«
    »Das ist nicht das Einzige, worin die Anglikaner sich irren.«
    »Könnte es sein, Isaac, dass alles besser wird oder schlimmstenfalls mehr oder weniger gleich bleibt, anstatt ständig schlimmer zu werden? Denn ich glaube wirklich, dass du möglicherweise bestimmte Dinge weißt, die Salomon nie in den Sinn gekommen sind.«
    »Ich bin oben dabei, das Weltsystem auszuarbeiten«, sagte Isaac beiläufig. »Es spricht nichts gegen die Annahme, dass Salomon und andere Alte dieses System gekannt und im Aufbau ihrer Tempel verschlüsselt dargestellt haben.«
    »Aber der Bibel zufolge ist ihnen dieser Aufbau unmittelbar von Gott vorgegeben worden.«
    »Geh doch nach draußen, schau empor zu den Sternen, und du siehst, wie Gott dir das Gleiche mitzuteilen sucht, wenn du nur Acht gibst.«
    »Wenn Salomon das alles wusste, warum ist er dann nicht einfach damit herausgerückt und hat gesagt: ›Die Sonne steht im Mittelpunkt des Sonnensystems, und die Planeten drehen sich in Ellipsen um sie?‹«
    »Ich glaube, er hat es gesagt, und zwar im Aufbau seines Tempels.«
    »Ja, aber warum äußern sich Gott und Salomon nur immer so verdammt indirekt? Warum rücken sie nicht einfach damit heraus und sagen es?«
    »Es ist gut, dass du meine Zeit nicht mit langweiligen Briefen vergeudet hast«, sagte Isaac. »Wenn ich einen Brief lese, kann ich zwar den Worten folgen, aber ich kann den Gemütszustand dessen, der ihn mir geschickt hat, nicht ermessen. Es ist besser, dass du mich zu nächtlicher Stunde besuchst.«
    »Wie ein Alchimist?«
    »Oder ein früher Christ im heidnischen Rom …«
    »Der Kurven in den Staub ritzt?«
    »... oder sonst ein Christ, der es wagt, sich den Götzendienern entgegenzustellen. Wenn du mich in einem Brief so behandeln würdest, würde ich zu dem Schluss kommen, dass du im

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