Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
Vom Netzwerk:
erst vor kurzem zu einer neuen Betrachtungsweise gekommen, einem neuen Gesichtspunkt, wie Leibniz sagen würde. Nämlich dass etwas dran ist an der Idee eines Weltuntergangs – eine plötzliche, totale Veränderung, ein Umsturz alles Alten – und dass Drake und die anderen lediglich mit den Einzelheiten falsch lagen; sie haben sich auf ein bestimmtes Datum festgelegt, sie haben, kurz gesagt, Götzendienerei getrieben. Wenn Götzendienerei heißt, das Symbol mit dem Symbolisierten zu verwechseln, dann haben sie genau das mit den in der Offenbarung niedergelegten Symbolen getan. Drake und die anderen glichen einem Schwarm von Vögeln, die allesamt spüren, dass etwas naht, und sich alle gleichzeitig in die Luft erheben: ein majestätischer Anblick und ein Wunder der Schöpfung. Aber sie waren verwirrt und flogen in eine Falle, und ihre Revolution schlug fehl. Heißt das, es war falsch von ihnen, überhaupt die Flügel auszubreiten? Nein, ihre Sinne haben sie nicht getrogen... sondern ihr höherer Verstand. Sollen wir sie für immer verachten, weil sie irrten? Soll ihr Erbe nur verlacht werden? Ganz im Gegenteil, ich würde sagen, dass wir mit wenig Aufwand den Weltuntergang jetzt herbeiführen könnten... nicht genau den, den sie sich ausgemalt haben, aber einen, der die gleichen oder sogar noch günstigere Auswirkungen hat.«
    »Ihr solltet wirklich nach Pennsylvania übersiedeln«, sinnierte Penn. »Ihr seid vielseitig begabt, Daniel, und einige dieser Begabungen, für die man Euch in England bloß aufhängen, strecken und vierteilen würde, würden Euch in Philadelphia zu einem bedeutenden Mann machen – oder zumindest viele Einladungen einbringen.«
    »Noch habe ich es mit England nicht aufgegeben, vielen Dank.«
    »Vielleicht ist es England lieber, Ihr gebt auf, als dass es noch einen Bürgerkrieg oder noch ein Blutgericht erlebt.«
    »Ein Großteil Englands sieht das anders.«
    »Und dazu dürft Ihr auch mich zählen, Daniel, aber ein Häuflein Nonkonformisten reicht nicht aus, um die Veränderungen herbeizuführen, die Ihr anstrebt.«
    »Wohl wahr... doch was ist mit den Männern, deren Unterschriften auf diesen Briefen stehen?«, sagte Daniel und zog ein Bündel gefalteter Pergamente hervor, die jeweils mit Bändern und Wachssiegeln versehen waren.
    Penns Mund schrumpfte auf die Größe eines Bauchnabels, und sein Verstand arbeitete eine Zeit lang. Die junge Frau trat näher und setzte ihnen Schokolade vor.
    »Mich so zu überraschen war nicht wie ein Edelmann gehandelt.«
    »Als Adam grub und Eva spann...«
    »Schweigt! Treibt keinen Scherz mit mir. Dass ich Pennsylvania besitze, macht mich in den Augen Gottes nicht besser als einen Landstreicher, aber es dient als Mahnung, dass mit mir nicht zu spaßen und zu scherzen ist.«
    »Und genau deshalb, Bruder William, habe ich unter Lebensgefahr in einer Sturmfront die Nordsee überquert und bin durch Frost und Schlamm galoppiert, um Euch abzufangen – bevor Ihr Eurem nächsten König gegenübertretet.« Daniel zückte eine Hooke-Uhr und hielt ihr elfenbeinweißes Zifferblatt ins Licht des Feuers. »Ihr habt noch Zeit, selbst einen Brief zu schreiben und ihn ganz oben auf diesen Stapel zu legen, wenn’s recht ist.«
     
    »Ich wollte Euch eigentlich fragen, ob Ihr eine Ahnung habt, wie viele Leute in Amsterdam Euch nach dem Leben trachten... aber indem Ihr hierher gekommen seid, scheint Ihr die Frage schon beantwortet zu haben: nein«, sagte Wilhelm, Prinz von Oranien.
    »Aus meinem Brief an d’Avaux wusstet Ihr früh genug Bescheid, nicht wahr?«
    »Er hat mich gerade noch rechtzeitig erreicht... die volle Wucht des Schlags traf einige große Anteilseigner dort, denen ich die Warnung vorenthalten habe.«
    »Frankophile.«
    »Nein, dieser Markt hat einen absoluten Tiefstand erreicht, heutzutage verkaufen sich nur noch wenige Holländer an die Franzosen. Heutzutage sind meine Hauptfeinde Holländer mit beschränktem Weitblick, wie Ihr sagen würdet. Jedenfalls hat mir Eure Batavia-Scharade gewaltige Kopfschmerzen bereitet.«
    »Am Hofe Ludwigs XIV. eine erstklassige Nachrichtenquelle zu etablieren kommt nun einmal nicht billig.«
    »Diese geistlose Binsenwahrheit lässt sich unschwer umkehren: Wenn sie so teuer kommt, verlange ich erstklassige Nachrichten. Was habt Ihr übrigens von den beiden Engländern erfahren?« William warf einen flüchtigen Blick auf einen schmutzigen Löffel, und seine Nüstern blähten sich. Ein holländischer Hausknabe, hellhäutiger

Weitere Kostenlose Bücher