Quicksilver
denen, die den Mund nicht halten können, wenn es um dich geht, Eliza.
Fatio blickte zum Polarstern hin. »Es ist eine halbe Stunde nach Mitternacht, ganz gleich, was die Kirchenglocken sagen.«
»Woher wisst Ihr das?«
»Anhand der Positionen der Sterne. Pegasus steht weit im Westen. Er wird binnen zwei Stunden unter den westlichen Horizont sinken. Ein jämmerlicher Ort, um Beobachtungen anzustellen! Ohnehin kommen und gehen Meteore zu schnell, als dass man ein Fernrohr auf sie richten könnte... was hat er nur gemeint?«
»Verständigt man sich so in der esoterischen Bruderschaft? Kein Wunder, dass Alchimisten hauptsächlich dafür berühmt sind, dass sie ihre Wohnungen in die Luft sprengen«, sagte Eliza, einigermaßen erleichtert darüber, dass ihr dieser flüchtige Blick in das Geheimnis gewährt wurde und dass sie dort nichts als Verwirrung fand.
Sie brachten den Großteil einer Stunde damit zu, diskutierend die Lücke zwischen den Ringen des Saturn zu betrachten, die nach Cassini, dem französischen königlichen Astronomen, benannt war und die Fatio mathematisch erklären konnte. Was bedeutete, dass Eliza fror, sich langweilte und ignoriert wurde. Es konnte immer nur einer in das Okular des Fernrohrs spähen, und die Männer vergaßen völlig ihre Manieren und gewährten ihr keinen einzigen Blick.
Dann überredete Fatio die anderen, das Fernrohr auf Pegasus zu richten oder vielmehr auf die wenigen Sterne davon, die noch nicht in der Nordsee versunken waren. Die Suche nach Pegasus war nicht annähernd so interessant für sie, wie es der Saturn gewesen war, deshalb ließen sie Eliza so ausgiebig hindurchschauen, wie sie wollte, und schwenkten in der Hoffnung, den vorausgesagten Meteor einzufangen, das Instrument hin und her.
»Habt Ihr etwas entdeckt, Mademoiselle?«, fragte Fatio irgendwann, als er bemerkte, dass Eliza mit steifen Fingern an der Einstellschraube drehte.
»Eine Wolke, die soeben über den Horizont lugt.«
»Ein so schönes Wetter wie das heutige konnte ja auch nicht anhalten«, sagte Huygens mit typisch holländischem Pessimismus; denn das Wetter war miserabel gewesen.
»Sieht sie nach einer Regenwolke aus oder...«
»Das versuche ich gerade zu ermitteln«, sagte Eliza, bemüht, das Fernrohr scharf zu stellen.
»Enoch hat Euch ein bisschen auf den Arm genommen«, sagte Huygens, denn die anderen hatten ihm mittlerweile von Enochs rätselhaftem Auftauchen auf dem Plein erzählt. »Er hat Gliederschmerzen gehabt und gewusst, dass ein Wetterwechsel bevorsteht! Und er wusste, dass er vom Pegasus herkommen würde, denn der liegt im Westen, und von daher weht der Wind. Sehr schlau.«
»Ein paar Wolkenfetzen, in der Tat... aber was ich zuerst für dicke Regenwolken hielt, ist in Wirklichkeit ein Schiff unter Segeln... das sich das Mondlicht zunutze macht, um unter vollem Zeug die Küste anzulaufen«, sagte Eliza.
»Tuchschmuggler«, prognostizierte Waterhouse, »die aus der Gegend von Ipswich kommen.« Eliza trat zurück, und er spähte durch das Okular. »Nein, ich habe Unrecht. Für einen Schmuggler hat es die falsche Besegelung.«
»Es ist auf Geschwindigkeit getakelt, manövriert im Moment aber vorsichtig«, erklärte Huygens. Dann war Fatio an der Reihe: »Ich möchte wetten, es bringt Konterbande aus Frankreich – Salz, Wein oder beides.« Und so fuhren sie, immer ermüdender, fort, bis Eliza ankündigte, sie werde zu Bett gehen.
Sie wurde vom Schlag einer Kirchenglocke geweckt. Aus irgendeinem Grund hatte sie das Gefühl, es sei ungeheuer wichtig, die Schläge zu zählen, aber sie wachte zu spät auf, um sich sicher sein zu können. Sie hatte ihren langen Wintermantel über das Fußende des Bettes gebreitet, um etwas wärmere Zehen zu bekommen, und nun setzte sie sich in einer einzigen schnellen Bewegung auf und zog ihn sich um die Schultern, ehe die Kälte durch das grobporige Leinen ihres Nachthemdes dringen konnte. Sie schwang die Füße aus dem Bett, stupste die beiden Kaninchenfellpantoffeln auf dem Boden an, um etwaige Mäuse zu verjagen, die sie womöglich als Nachtlager benutzten, und schlüpfte dann hinein.
Denn in Elizas Gedanken hatte sich, während sie schlief, auf ungefähr die gleiche Weise, wie Nagetiere sich in den Nachtstunden in Kleidungsstücken einquartieren, eine Idee eingenistet. Voll bewusst wurde sie sich dieser Idee erst ein paar Minuten später, als sie in das große Zimmer ging, um das Feuer zu schüren, und sah, dass sämtliche Uhren von Huygens
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