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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Ruderschlag aufstand, sah sie ihn mehrere Schritte in die Brandung rennen und eintauchen. Die anderen drei knieten im Sand nieder, zielten mit ihren Musketen auf das Boot und warteten darauf, dass Eliza sich wieder zeigte.
    Sie konnte sich in die Bilge kauern und auf diese Weise aus der Schusslinie bleiben – aber das Boot rudern konnte sie so nicht.
    Eine Hand packte das Dollbord. Eliza schmetterte den Kolben der Pistole darauf, und die Hand verschwand. Aber gleich darauf tauchte sie, blutend, woanders erneut auf – gefolgt von einer zweiten Hand, dann zwei Ellbogen, dann einem Kopf. Eliza zielte mit der Pistole zwischen die blinzelnden Augen und betätigte den Abzug. Der Feuerstein sauste herab und schlug einen schwächlichen Funken, doch weiter passierte nichts. Sie drehte die Waffe um, weil sie den Mann auf den Kopf schlagen wollte, aber er hob eine Hand, um den Schlag zu parieren, und sie überlegte es sich anders. Sie stand auf, packte die Handgriffe einer Waffenkiste, wuchtete sie hoch und rammte sie ihm, als er gerade ein Bein über das Dollbord schwang, mit einem Hüftstoß ins Gesicht. Er fiel vom Boot. Die Dragoner am Ufer eröffneten das Feuer, und ihre Kugeln ließen eine Ruderbank splittern, aber sie verfehlten Eliza. Trotzdem machte der Anblick der kleinen, frisch ins Holz der Ruderbank gerissenen Krater jede Erleichterung zunichte, die sie verspürt haben mochte, weil sie den Schwimmer losgeworden war.
    Nun hatte sie Gelegenheit, mehrmals die Riemen durchzuziehen, während die Dragoner nachluden. Als sie für einen Ruderschlag aufstand, nahm sie im Süden Bewegung wahr. Sie wandte sich in diese Richtung und sah ein Dutzend Blaue Gardisten des Prinzen auf schäumenden und erschöpften Rössern im Galopp den Hügel erklimmen oder ihn am Strand entlang umgehen. Als sie die Szene vor ihnen sahen, standen sie in den Steigbügeln auf, reckten die Säbel hoch und brachen in ein teils empörtes, teils triumphierendes Gebrüll aus. Resigniert warfen die französischen Dragoner ihre Waffen in den Sand.
     
    »Ihr müsst Euch jetzt eine ganze Weile von mir fern halten«, sagte Wilhelm von Oranien. »Ich werde veranlassen, dass man Euch von hier verschwinden lässt, und meine Agenten werden irgendeine Geschichte verbreiten, die Euren Verbleib heute Morgen erklärt.«
    Von lauten Rufen von der anderen Seite einer Düne abgelenkt, hielt der Prinz inne. Einer der Gardisten erklomm sie und verkündete, er habe frische Pferdespuren gefunden. Ein Reiter habe erst vor kurzem einige Zeit dort verweilt (der Dung seines Pferdes sei noch warm) und etwas Tabak geraucht und sei dann erst vor wenigen Augenblicken davongaloppiert (der von den Hufen seines Pferdes aufgewühlte Sand war noch trocken). Angesichts dieser Neuigkeit spornten drei Gardisten ihre Pferde an und nahmen die Verfolgung auf. Aber ihre Tiere waren erschöpft, während das des Spions gut ausgeruht war – alle wussten, dass die Verfolgung sinnlos war.
    »Das war d’Avaux«, sagte Wilhelm. »Bestimmt war er da, damit er aus seinem Versteck kommen und mich verspotten konnte, nachdem ich in Ketten gelegt worden war.«
    »Dann weiß er über mich Bescheid!«
    »Vielleicht, vielleicht aber auch nicht«, sagte der Prinz und legte damit eine Sorglosigkeit an den Tag, die nicht eben zu Elizas Seelenfrieden beitrug. Er warf einen neugierigen Blick auf Fatio, der sich aufgesetzt hatte und sich eine blutende Kopfwunde verbinden ließ. »Euer Freund ist Naturphilosoph? Ich werde an der hiesigen Universität einen Lehrstuhl für ihn stiften. Euch werde ich zum geeigneten Zeitpunkt zur Gräfin erklären. Aber jetzt müsst Ihr nach Versailles zurückkehren und Liselotte den Hof machen.«
    » Was!?«
    » Spielt nicht die Entrüstete, das ist überaus langweilig. Ihr wisst, glaube ich, was ich bin, und müsst daher auch wissen, was sie ist.«
    »Aber warum?«
    »Das ist schon eine intelligentere Frage. Was Ihr hier gerade miterlebt habt, Eliza, ist der Funke, der die Pulverpfanne zündet, welche die Muskete abfeuert, welche die Kugel ausstößt, die den König fällt. Macht Euch das ganz klar, und wenn Ihr heute nichts anderes mehr tut. Nun bleibt mir keine andere Wahl, als England in Besitz zu nehmen. Aber dazu brauche ich Truppen, und ich wage es nicht, allzu viele von meinen südlichen Marschen abzuziehen, während Ludwig mich dort bedroht. Wenn aber, womit ich rechne, Ludwig beschließt, seine Besitzungen auf Kosten der Deutschen zu vergrößern, wird er dazu Kräfte

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