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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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nassen Tauen getroffen. Trotzdem erschwerten sie ihr das Aufstehen. Als sie sich völlig durchnässt, mit Sand bedeckt, frierend und lädiert aufrappelte, musste sie feststellen, dass sie die Pistole verloren hatte; und als sie sie endlich aus dem Sand gewühlt hatte, war das Gefecht an diesem Ende des Strands vorbei – Wilhelms Degen, der eben noch geglänzt hatte, war nun rot, und zwei Dragoner lagen im Sand und hielten sich den Leib. Ein weiterer wurde von Fatio mit der Muskete in Schach gehalten, und der sechste Angehörige des Kommandos rannte schreiend und die Arme über dem Kopf schwenkend auf die Pinasse zu.
    Das Beiboot befand sich mittlerweile in der Brandung, bereit, die Dragoner und ihren Gefangenen zur Météore zurückzubefördern. Nach kurzer Diskussion sonderten sich vier der Männer, die es den Strand hinuntergezogen hatten, davon ab und liefen auf die stehen gebliebenen Sandsegler zu, während ein fünfter zurückblieb, um auf das Haltetau des Bootes Acht zu geben. Das sechste Mitglied dieses Kontingents lag noch immer mit dem Gesicht nach unten im Sand, und über seinen Rücken zog sich eine Radspur.
    Eliza war noch nicht bemerkt worden.
    Sie kauerte sich hinter den kaputten Rumpf des Strandseglers und brachte ein paar Momente damit zu, den Zündmechanismus der Pistole zu überprüfen, den sie von Sand zu befreien versuchte, ohne dabei sämtliches Pulver aus der Pfanne zu wischen.
    Dann hörte sie einen Schrei, blickte auf und sah, dass Wilhelm einfach zu dem gefangenen Dragoner gegangen war und ihn mit seinem Degen durchbohrt hatte. Daraufhin nahm er Fatio die Muskete aus den Händen, ließ sich auf ein Knie nieder, zielte sorgfältig und schoss auf die fünf Dragoner, die nun auf sie zugelaufen kamen.
    Kein Einziger von ihnen schien davon Notiz zu nehmen.
    Eliza legte sich auf den Bauch und begann, in südlicher Richtung den Strand entlangzurobben. Gleich darauf rannten ungefähr zehn Schritte links von ihr die Dragoner an ihr vorbei.Wie sie gehofft hatte, wurde sie von keinem bemerkt. Sie hatten nur Augen für die beiden Männer, Wilhelm und Fatio, die nun mit gezogenen Degen Rücken an Rücken standen und warteten.
    Eliza rappelte sich hoch und warf ihren langen schweren Mantel ab. Bevor sie in Scheveningen in den Sandsegler gestiegen war, hatte sie sich Fatios Dolch geborgt und damit den unteren Teil ihres Nachthemdes aufgeschlitzt und ein Stück weit abgeschnitten, um mehr Beinfreiheit zu gewinnen. Sie rannte auf das Beiboot zu. Sie befürchtete, Pistolen oder Musketen krachen zu hören, was bedeuteten würde, dass die Dragoner beschlossen hatten, an Ort und Stelle ein Ende mit Fatio und Wilhelm zu machen. Aber sie hörte nichts außer der Brandung. Die Franzosen hatten wohl Befehl, den Prinzen lebendig einzubringen. Fatio war ihnen unbekannt und vollkommen entbehrlich, aber sie konnten nicht auf ihn schießen, ohne Wilhelm von Oranien zu treffen.
    Der alleingelassene Dragoner, der das Haltetau des Beiboots hielt, sah verblüfft zu, wie Eliza auf ihn zugerannt kam. Selbst wenn er nicht verblüfft gewesen wäre, hätte er nichts anderes tun können als dazustehen; ließ er das Tau los, ging das Boot verloren, und allein war er nicht stark genug, um es auf den Strand zu ziehen. Im Näherkommen beobachtete Eliza, dass der Bursche eine Pistole im Hosenbund stecken hatte. Aber da die Wellentäler ihm bis zur Hüfte reichten und die Kämme ihm die Brust umspülten, bot die Waffe keinen Anlass zur Sorge.
    Eliza pflanzte sich am Ufer auf, zog die Pistole, spannte den Hahn und zielte aus ungefähr zehn Schritt Entfernung genau auf den Dragoner. »Vielleicht feuert sie, vielleicht auch nicht«, sagte sie auf Französisch. »Ich zähle bis zehn, so lange hast du Zeit zu entscheiden, ob du dein Leben und deine unsterbliche Seele darauf verwetten willst. Eins... zwei... drei... habe ich schon erwähnt, dass ich meine Tage habe? Vier...«
    Er hielt bis sieben durch. Es war nicht so sehr die Pistole, die ihn beschäftigte, sondern ihr verwildertes Aussehen, der Ausdruck in ihren Augen. Er ließ das Tau ins Wasser fallen, hob die Hände, schob sich, sorgsam auf Abstand zu Eliza bedacht, seitwärts auf den Strand und rannte dann auf die andere Gruppe zu. Das war kein schlechter Schachzug. Wäre er geblieben, hätte die Pistole vielleicht gefeuert, er wäre tot, und sie hätten das Boot mit Sicherheit verloren. Bekam er jedoch Hilfe von den anderen, hatten sie gute Aussichten, sich das Boot von Eliza

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