Quicksilver
Mathematiker und daher Freunde und Kollegen von ihm. »Vor hundert Jahren bildeten sich die Segelmacher ein, Segel wirkten buchstäblich wie Windbeutel, weshalb Schiffe auf alten Bildern allesamt ein dickbäuchiges Aussehen haben, das unser heutiges Auge so sehr befremdet... inzwischen haben wir gelernt, dass Segel ihre Kraft aufgrund von Luftströmungen zu beiden Seiten entwickeln, welche die Krümmung der Leinwand bestimmen und von ihr bestimmt werden... wie es im Einzelnen funktioniert, wissen wir noch nicht... die Bernoullis haben sich auf dieses Gebiet spezialisiert... Bald werden wir imstande sein, mithilfe meines Kalküls Segel nach rationalen Prinzipien zu setzen...«
» Eures Kalküls?«
»Ja… und damit werden wir Geschwindigkeiten erzielen… die noch höher sind als... diese!«
»Ich sehe ihn!«, rief Eliza.
Fatios Blick nach vorn wurde von Segel und Takelage verstellt, aber Eliza hatte freie Sicht und konnte Wilhelms Mastspitze über einen niedrigen Hügel aus Sand und Strandgras ragen sehen. Der Segler des Prinzen lag schräg, allerdings nicht so stark wie der ihre, da es ihm an einem menschlichen Gegengewicht fehlte. Er fuhr vielleicht eine halbe Meile vor ihnen. Auf halber Strecke zwischen ihnen lag, rasch näher kommend, besagter Hügel, der (wie sich Eliza klar machte) genau die Sorte von visuellem Hindernis darstellte, hinter dem sich die Dragoner in den Hinterhalt legen würden. Und tatsächlich konnte sie den Mast von Wilhelms Segler in die Senkrechte schwingen sehen, während er ins Stocken geriet und an Tempo verlor...
»Eben gerade passiert es«, rief sie.
»Möchtet Ihr, dass ich anhalte und Euch absetze, Mademoiselle, oder -«
»Redet keinen Unsinn.«
»Nun denn!« Jetzt steuerte Fatio den Segler in scharfem Bogen um das Ende des Hügels. In diesem Moment bot sich ihnen ein Blick auf eine Meile offenen Strandes.
Unmittelbar voraus und beunruhigend nahe lag eine Pinasse, immer noch mit Ästen bedeckt, die man zur Tarnung darüber gelegt hatte. Sie war soeben aus einem Versteck an der Nordflanke des Hügel geholt worden und wurde nun von einem halben Dutzend stämmiger französischer Dragoner in Richtung Wasser gezogen und geschoben. Im Moment querte ihr Kiel die Spuren, die Wilhelms Segler vor wenigen Sekunden in den Sand gezogen hatte. Sie schnitt dem Prinzen den Rückzug ab – und versperrte Eliza und Fatio den Weg. Fatio ruckte an der Ruderpinne und steuerte hinter dem Boot herum hangaufwärts. Eliza konnte sich nur an ihrem Seil festhalten. Während es den Wagen kräftig durchschüttelte, biss Eliza auf die Zähne, um sich nicht die Zunge abzubeißen, und kniff die Augen zusammen. Die Räder, die auf dem Boden waren, schossen durch die von der Pinasse gezogene Furche, und dasjenige, das in der Luft war, knallte einem völlig überraschten Dragoner gegen den Kopf und fällte ihn wie einen Baum.
Das brachte den Trimm der Segel und das Gleichgewicht des Fahrzeugs völlig durcheinander, und Fatio bekam die Dinge erst nach einigem Schlingern und Holpern wieder unter Kontrolle. Reine Geschwindigkeit war nun nicht mehr so wichtig, und so hängte sich Eliza mit ihrem ganzen Gewicht an das Handseil, hob die Knie und schwang sich so weit in den Segler, dass sie die Füße in der Nähe des Masts aufsetzen konnte. Fatio schlug ein langsameres Tempo an. Beide blickten sie den Strand entlang.
Eine Bogenschussweite vor ihnen setzte ein zweites Kontingent von einem halben Dutzend Dragonern im Laufschritt dem Sandsegler des Prinzen nach. Dieser war vor einer Barriere zum Stehen gekommen, bestehend aus einer Kette, die zwischen mehreren, offenbar von den Franzosen in den Sand getriebenen Pfosten gespannt war. Die Dragoner wandten Eliza und Fatio allesamt den Rücken zu, und ihr Augenmerk war auf den Prinzen gerichtet, der aus seinem Segler geklettert war und sich umdrehte, um sich den Angreifern entgegenzustellen.
Wilhelm entfernte sich ein Stück weit von seinem Segler, ließ mit einer raschen Schulterbewegung seinen Umhang in den Sand fallen und zog seinen Degen.
Fatio segelte von hinten in die Reihe von Dragonern hinein und mähte zwei davon, darunter ihren Hauptmann, nieder. Damit hatte es dann aber auch ein Ende mit seiner und Elizas Sandsegelkarriere, denn das Fahrzeug steckte die Nase in den Sand und überschlug sich. Eliza landete mit dem Gesicht voran in nassem Sand und spürte, wie in ihrer Nähe Wrackteile niedergingen, wurde jedoch von nichts anderem als ein paar verhedderten,
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