Quicksilver
weil man damit gerechnet hatte, dass es ohnehin nur wieder zu einer Fehlgeburt kommen würde. Aber die Schwangerschaft schien normal zu verlaufen, und mittlerweile war der Leibesumfang der Königin in Whitehall Gegenstand zahlreicher Diskussionen. Mit der Entbindung wurde für Ende Mai oder Anfang Juni gerechnet – genau der Zeitraum, in dem Eliza zu Besuch kommen würde.
Eliza benutzte Daniel, um sich Zugang zum Palast zu verschaffen, damit sie, Eliza, so früh wie möglich erfuhr, ob König James II. einen legitimen Erben hatte, und ihre Investitionen entsprechend korrigieren konnte. Das hätte eigentlich so deutlich sein müssen wie die Tatsache, dass Daniel einen großen Stein in der Blase hatte, aber irgendwie brachte er es fertig, sein derzeitiges Geschäft zu Ende zu bringen und in das Kaffeehaus zurückzukehren, ohne sich das eine wie das andere klar zu machen.
Der Einzige, der die Dinge zu durchschauen schien, war Robert Hooke, der sich ebenfalls in dem Kaffeehaus aufhielt. Er unterhielt sich wie üblich mit Sir Christopher Wren. Aber er hatte Daniel die ganze Zeit durch ein offenes Fenster beobachtet. Sein Gesicht zeigte den Ausdruck eines Menschen, der entschlossen ist, in aller Offenheit Unerfreuliches anzusprechen, und es gelang Daniel, ihm aus dem Weg zu gehen.
Versailles
JULI 1688
An M. le Comte d’Avaux
Monsieur, wie gewünscht, bin ich zu der neuen Geheimschrift übergegangen. Mir erscheint die Vorstellung absurd, die Holländer hätten die alte geknackt und all Eure Briefe gelesen! Aber Ihr seid, wie immer, der Inbegriff der Diskretion, und ich werde jegliche Vorsichtsmaßnahme treffen, um die Ihr mich bittet.
Es war gut, dass Ihr mir diesen reizenden, wenn auch leicht sarkastischen Glückwunschbrief anlässlich der Gewährung meines rechtmäßigen ererbten Titels geschickt habt (da wir nun von gleichem Rang sind – welche Zweifel hinsichtlich der Legitimität meines Titels Ihr auch immer hegen mögt -, hoffe ich, Ihr seid nicht gekränkt, dass ich Euch jetzt mit Monsieur anstelle von Monseigneur anspreche). Bis zur Ankunft Eures Briefes hatte ich über viele Monate hinweg nichts von Euch gehört. Zuerst nahm ich an, die geschmacklose Überreaktion des Prinzen von Oranien auf den so genannten Entführungsversuch habe Euch in Den Haag isoliert und außerstande gesetzt, Briefe nach draußen zu schicken. Als dann die Monate vergingen, begann ich mir Sorgen zu machen, dass Eure Gefühle für Eure ergebenste und gehorsamste Dienerin abgekühlt sein könnten. Jetzt kann ich sehen, dass das alles nur Hirngespinste waren – die Art von zielloser Aufregung, für die mein Geschlecht so anfällig ist. Ihr und ich, wir sind einander so nah wie eh und je. So werde ich jetzt versuchen, einen guten Brief zu schreiben und Euch dazu zu bewegen, mir zurückzuschreiben.
Zuerst zum Geschäft: Ich habe die Zahlen für das zweite Quartal 1688 noch nicht zusammengerechnet und bitte Euch deswegen, das, was folgt, vor den anderen Investoren geheim zu halten, aber ich bin zuversichtlich, dass wir erfolgreicher waren als allgemein erwartet. Die V.O.C.-Aktie hat zwar miserabel abgeschnitten, aber der Markt war zu launisch, um Gewinne zu erzielen, indem man sie leer verkaufte oder auf Derivate setzte. Und dennoch haben ein paar Dinge – seltsamerweise alle in London – unsere Investitionen vor der Katastrophe bewahrt. Eins davon ist der Handel mit Rohstoffen, vor allem Silber. Englands Münzen verlieren täglich an Wert, auf dem Land treiben Falschmünzer ihr Unwesen und, um Euch nicht mit Details zu langweilen, das hat Gold- und Silberströme zu und von dieser Insel zur Folge, von denen wir profitieren können, wenn wir auf die richtigen Pferde setzen.
Ihr fragt Euch vielleicht, woher ich denn wissen kann, welches die richtigen Pferde sind, wo ich doch in Versailles lebe. Lasst mich Eure Sorgen zerstreuen, indem ich Euch erkläre, dass ich, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben, zwei Besuche in London gemacht habe, einen im Februar und einen im Mai, um die Zeit herum, als der Sohn von König James II. geboren wurde. Der zweite Besuch war natürlich obligatorisch, denn jedermann wusste, dass die Königin von England schwanger war und die Zukunft von Britannien und von Europa davon abhing, dass sie einen rechtmäßigen männlichen Erben hervorbrachte. Die Amsterdamer Märkte reagierten zwangsläufig stark auf jede Nachricht aus Whitehall, und deshalb musste ich dort sein. Ich habe einen Engländer verführt, der
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