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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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dem König nahe steht – so nah, dass er es schaffte, mich genau in der Zeit nach Whitehall hineinzuschleusen, als bei der Königin die Wehen einsetzten. Da dies ein Geschäftsbericht ist, Monsieur, werde ich hier nicht mehr erzählen; erlaubt mir nur zu erwähnen, dass es rund um die Geburt dieses Säuglings gewisse Besonderheiten gab, mit denen ich Euch ein andermal erbauen werde.
Der Engländer ist eine bedeutende Figur in der Royal Society. Er hat einen älteren Halbbruder, der auf mehr Arten Geld verdient, als ich aufzählen kann. Die Familie hat alte Verbindungen zu den Goldschmiedeläden, die sich um Cornhill und Threadneedle herum befinden, und neuere zu der banca , die von Sir Richard Apthorp errichtet worden war, nachdem Charles II. viele Goldschmiede gezwungen hatte zuzumachen. Falls der Begriff banca Euch nicht vertraut ist, er bedeutet so etwas Ähnliches wie Goldschmied, nur das hier echte Goldschmiedearbeiten gar nicht erst vorgetäuscht werden; sie sind Bankiers, die Handel mit Metallen und Papieren treiben. So merkwürdig das klingen mag, diese Art von Geschäft ist durchaus sinnvoll, zumindest im Londoner Rahmen, und Apthorp lebt gut davon. Durch diese Verbindung habe ich von den oben erwähnten Trends bei Silber und Gold erfahren und konnte sozusagen auf die richtigen Pferde setzen.
Da sie nicht die Raffinesse der Franzosen besitzen, haben die Engländer kein Äquivalent zu Versailles und so durchmischen sich die Hochwohlgeborenen, die Anhänger verschiedener Religionen, commerçants und Vagabunden alle in London. Ihr habt Zeit in Amsterdam verbracht, was Euch eine gewisse Vorstellung von London vermitteln mag, außer das London nicht annähernd so gut organisiert ist. Die Durchmischung findet zu einem großen Teil in Kaffeehäusern statt. Um die Börse herum gibt es verschiedene Kaffee- und Kakaohäuser, in denen sich nach und nach eine spezielle Kundschaft eingefunden hat. Gleich und gleich gesellt sich gern, und so treffen sich diejenigen, die mit Aktien der Ostindischen Kompanie handeln, an einem bestimmten Ort und so weiter. Jetzt, da Englands Überseehandel zugenommen hat, ist das Versichern von Schiffen und anderen riskanten Unternehmen an sich ein Handelszweig von einiger Bedeutung geworden. Diejenigen, die im Versicherungsgeschäft sind, haben vor kurzem angefangen, in Lloyds Kaffeehaus zu gehen, das, aus welchem Grund auch immer, zum Lieblingstreffpunkt der Versicherer geworden ist. Diese Einrichtung ist für Käufer und Verkäufer gleichermaßen von Vorteil: Der Käufer kann Angebote von verschiedenen Versicherern einholen, indem er einfach von Tisch zu Tisch schlendert, und der Verkäufer kann die Risiken verteilen, indem er spontan Gesellschaften bildet. Ich hoffe, ich langweile Euch nicht zu Tode, Monsieur, aber es ist faszinierend anzusehen, und Ihr selbst habt jetzt aus diesem Quartal ein bisschen Geld verdient, das Ihr dazu verwenden könnt, Euch einen Abenteuerroman zu kaufen, falls mein Vortrag Euch zu langweilig ist. Tout le monde in Versailles ist übereinstimmend der Meinung, dass L’Emmerdeur in der Barbarei eine gute Lektüre ist, und ich weiß aus sicherer Quelle, dass ein Exemplar davon im Schlafzimmer des Königs entdeckt wurde.
Genug vom Geschäft; nun zum Tratsch.
Jetzt, da ich als Gräfin bekannt bin, geruht Madame, mich zu erkennen. Die ganze Zeit hatte sie mich ja als Parasitin betrachtet, als Schlingpflanze, und deshalb hatte ich gedacht, sie sei der letzte Mensch bei Hofe, der mich als Adlige akzeptieren würde. Doch sie überraschte mich mit einer Begrüßung, die höflich, fast herzlich war, und gönnte mir sogar ein paar Minuten höflicher Konversation, als ich sie neulich im Park traf. Ich glaube, ihre bisherige Kälte mir gegenüber hatte zwei Gründe. Zum einen ist la Palatine (so wird Liselotte hier manchmal genannt) wie alle anderen ausländischen Mitglieder der königlichen Familie unsicher in Bezug auf ihre Stellung und neigt dazu, sich selbst zu erhöhen, indem sie jene herabsetzt, deren Geblüt noch zweifelhafter ist als das ihre. Das ist keine besonders anziehende Eigenschaft, aber sie ist nur allzu menschlich! Zum anderen ist ihre Hauptrivalin bei Hofe de Maintenon, die aus einer erbärmlichen Situation emporgestiegen ist, um die inoffizielle Königin von Frankreich zu werden. Und immer wenn Madame jetzt bei Hofe eine Frau mit Ambitionen sieht, erinnert sie das an die eine, die sie hasst.
Viele Adlige aus alten Familien spotten über mich, weil ich

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