Quicksilver
katholische Kirchen wurden bloß zum Vergnügen angezündet, also hat er sie wieder freigelassen, damit sich die Lage beruhigt.«
»Aber das ist etwas ganz anderes, als die Katholiken zu vergessen, Sergeant.«
»Ja, aber seither – seit Ihr hier eingekerkert seid – hat der König begonnen, aus den Fugen zu gehen.«
»Bis jetzt habe ich nichts Bemerkenswertes erfahren, Sergeant, außer dass es in Diensten des Königs einen Sergeanten gibt, der das Wort ›eingekerkert‹ zu benutzen weiß.«
»Versteht Ihr, kein Mensch glaubt, dass sein Sohn wirklich sein Sohn ist – deswegen schläft er so unruhig.«
»Was um alles in der Welt wollt Ihr damit sagen?«
»Je nun, es geht das Gerücht, die Königin sei gar nicht schwanger gewesen – sondern nur mit unter ihr Kleid gestopften Kissen umherstolziert – und der so genannte Prinz sei bloß ein ganz gewöhnlicher, aus irgendeinem Waisenhaus stibitzter Säugling, den man in einer Wärmepfanne in die Schlafkammer geschmuggelt hat.«
Daniel bedachte dies vollkommen verblüfft. »Ich habe das Kind mit eigenen Augen aus der Vagina der Königin hervorkommen sehen«, sagte er.
»Bewahrt Euch diese Erinnerung, Herr Professor, denn sie kann Euch womöglich am Leben erhalten. Kein Mensch in England glaubt, dass das Kind etwas anderes ist als ein gewöhnlicher, eingeschmuggelter Wechselbalg. Und deshalb ist der König mittlerweile an allen Fronten im Rückzug begriffen. Infolgedessen fürchten ihn die Anglikaner nicht mehr, während die Papisten schreien, er habe den einzig wahren Glauben aufgegeben.«
Daniel überlegte. »Der König wollte, dass Cambridge einem Benediktinermönch namens Father Francis, den man in Cambridge als eine Art Strohmann des Papstes von Rom betrachtet, einen akademischen Grad verleiht«, sagte er. »Irgendetwas Neues von ihm?«
»Der König hat überall Jesuiten und dergleichen unterzubringen versucht«, sagte der Sergeant, »aber in den letzten vierzehn Tagen sehr viele davon zurückgezogen. Ich würde sagen, Cambridge kann sich wieder beruhigen, denn die Macht des Königs geht zurück – und zwar in Richtung Frankreich.«
Nun verstummte Daniel eine Zeit lang. Schließlich sprach der Sergeant in leiserem, freundlicherem Ton weiter: »Ich bin nicht gebildet, aber ich war oft im Theater, wo ich auch Wörter wie ›eingekerkert‹ aufgeschnappt habe und wo es oft passiert – zumal in neueren Stücken -, dass ein Schauspieler plötzlich seinen Text vergisst, und dann hört man, wie ein Speerträger oder Lautenspieler ihm souffliert. Und in diesem Sinne werde ich Euch jetzt Euren nächsten Text vorsagen, Sir, so etwas wie: ›Meiner Treu, das ist verhängnisvolle Kunde, mein König, ein wahrer Freund aller Nonkonformisten, ist in Not, was soll nur aus uns werden, wie kann ich Seiner Majestät zu Diensten sein?‹«
Daniel blieb stumm. Irgendetwas schien den Sergeanten aufgebracht zu haben, sodass er nicht anders konnte, als die Kammer zu durchstiefeln und zu durchmessen, als wäre Daniel ein Exemplar, über das sich mehr erfahren ließ, wenn man es aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtete. »Andererseits seid Ihr ja vielleicht kein Feld-Wald-und-Wiesen-Nonkonformist, denn Ihr befindet Euch immerhin im Tower, Sir.«
»Genau wie Ihr, Sergeant.«
»Ich habe einen Schlüssel.«
»Pah! Habt Ihr die Erlaubnis zu gehen?«
Das brachte den anderen für kurze Zeit zum Schweigen. »Unser Befehlshaber ist John Churchill«, versuchte er es schließlich anders. »Der König traut ihm nicht mehr recht.«
»Ich habe mich schon gefragt, wann der König anfangen würde, an Churchills Loyalität zu zweifeln.«
»Er braucht uns in seiner Nähe, da wir seine besten Männer sind – aber wiederum nicht so nahe wie die Gardekavallerie, unmittelbar bei Whitehall Palace, in Musketenschussweite zu seinen Gemächern.«
»Also hat man Euch zwecks sicherer Verwahrung in den Tower verlegt.«
»Ihr habt Post«, sagte der Sergeant und warf einen Brief auf den Tisch vor Daniel. Er trug die Adresse GRUBENDOL, LONDON.
Er war von Leibniz.
»Er ist doch für Euch, oder? Macht Euch nicht die Mühe, es abzustreiten, ich sehe es Euch am Gesicht an«, fuhr der Sergeant fort. »Es war verdammt schwierig herauszukriegen, wer ihn bekommen sollte.«
»Er ist für denjenigen Amtsträger der Royal Society bestimmt, der jeweils gerade damit betraut ist, sich um die ausländische Korrespondenz zu kümmern«, sagte Daniel indigniert, »und im Augenblick fällt mir diese Ehre
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