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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Krieg begonnen hat und alles im Fluss ist, kaum noch von Bedeutung sind. Manches davon ist jedoch persönliche Schilderung, die sie anscheinend in Wollstickerei festgehalten hat, wenn ihr langweilig war. Dieses Material liefert die Antwort auf die Frage, wie sie von St-Cloud nach Nijmegen kam. Ich habe mir die Freiheit genommen, es in einen gehobeneren Stil zu übertragen und in eine zusammenhängende, wenn auch episodische Geschichte zu bringen, die ich Eurer Majestät zu Gefallen unten aufgeschrieben habe. Hier und da habe ich eine Bemerkung eingefügt, die zusätzliche, inzwischen aus anderen Quellen zusammengetragene Informationen über das Treiben der Gräfin liefert. Am Ende habe ich ein Postskriptum sowie eine Notiz von d’Avaux angehängt.
Wenn ich die romans lange und an einem stück lesen müßte, würden sie mir beschwerlich fallen; ich lese aber nur ein blatt 3 oder 4, wenn ich met verlöff auf dem kackstuhl morgens und abends sitze, so amüsierts mich und ist weder mühsam noch langweilig so.
Liselotte in einem Brief an Sophie,
1. Mai 1704
    TAGEBUCHEINTRAG 17. AUGUST 1688
    Werter Leser,
ich kann keinerlei Vermutung darüber anstellen, ob dieses Stück Stoff,
mit Absicht oder infolge irgendeines Unglücks, zerstört oder zu einem
Kissen gemacht oder, durch irgendeine Wendung im Lauf der Ereignisse,
nach Jahren oder Jahrhunderten einem klugen, scharfsinnigen Menschen
in die Finger fallen und entschlüsselt werden wird. Obwohl das Gewebe
jetzt, während ich diese Worte darauf sticke, neu, sauber und trocken ist,
muss ich wohl davon ausgehen, dass es, bis irgendjemand sie liest, von
Regen oder Tränen streifig, durch Alter und Feuchtigkeit gesprenkelt und
modrig, womöglich von Rauch oder Blut fleckig geworden ist. Ich gratuliere
Euch jedenfalls, wer immer Ihr seid und in welchem Zeitalter Ihr
auch leben mögt, dass Ihr schlau genug wart, das hier zu lesen.
    Manch einer ist sicher der Meinung, eine Spionin sollte, damit es nicht in falsche Hände gerät, nichts Schriftliches über ihre Tätigkeit besitzen. Darauf würde ich antworten, dass es meine Pflicht ist, detaillierte Informationen zu sammeln und meinem Herrn zukommen zu lassen, und wenn ich nicht mehr in Erfahrung bringe, als ich aus dem Gedächtnis wiedergeben kann, dann war ich nicht besonders fleißig.
    Am 16. August 1688 traf ich Liselotte von der Pfalz, Elisabeth Charlotte, Herzogin von Orléans, dem französischen Hof als Madame oder la Palatine und ihren Lieben in Deutschland als Rauschenplattenknecht bekannt, am Tor eines Stalls auf ihrem Gut in St-Cloud an der Seine, von Paris aus gleich flussabwärts. Sie ließ sich ihr Lieblingspferd für die Jagd herausbringen und satteln, während ich von Box zu Box ging und ein Pferd auswählte, das sich gut zum Reiten ohne Sattel eignen würde, was der vorgeschobene Grund unseres Ausritts war. Zusammen ritten wir los in die Wälder, die das Seineufer in der Umgebung des Schlosses einige Meilen weit säumen. Begleitet wurden wir von zwei jungen Männern aus Hannover. Liselotte unterhält enge Beziehungen zu ihrer Familie in diesem Teil der Welt, und von Zeit zu Zeit wird irgendein Neffe oder Cousin losgeschickt, um eine Zeit lang ihrem Hofstaat anzugehören und in der Gesellschaft von Versailles »den letzten Schliff« zu bekommen. Die persönliche Geschichte dieser Jungen ist nicht ohne Reiz, aber, werter Leser, sie gehören nicht zu meiner Geschichte, und deshalb will ich Euch nur so viel erzählen, dass sie deutsche protestantische Heterosexuelle waren, was bedeutete, dass man ihnen im Milieu von St-Cloud trauen konnte, und sei es auch nur, weil sie völlig isoliert waren.
    In einem ruhigen Seitengewässer der Seine wartete, durch überhängende Zweige vor Blicken geschützt, ein kleines Flachboot. Ich kletterte hinein und verkroch mich unter einem Gewirr von Fischernetzen. Der Bootsführer stieß das Boot vom Ufer ab und stakte es hinaus in die Strömung des Flusses, wo wir nach kurzer Zeit auf ein größeres Schiff trafen, das stromaufwärts fuhr. Darauf befinde ich mich seitdem. Wir haben Paris, wo wir uns auf der Nordseite der Île de la Cité hielten, schon hinter uns. Unmittelbar außerhalb der Stadt, am Zusammenfluss von Seine und Marne, nahmen wir die linke Abzweigung und begannen den Fluss hinaufzufahren.
    TAGEBUCHEINTRAG 20. AUGUST 1688
    Mehrere Tage lang haben wir uns die Marne aufwärts dahingeschleppt. Gestern fuhren wir durch Meaux und ließen es [wie ich dachte] meilenweit hinter uns,

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