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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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das andere Mädchen – sagte: »Das heißt, sie werden beide sterben, richtig?«
Nun, Doktor, da ich ja diesen Brief schreibe, hat es keinen Sinn, Euch auf die Folter zu spannen – es liegt auf der Hand, dass ich nicht gestorben bin. Ich erwähne das nur, weil es etwas über den Charakter dieser Marie aussagt. Im Gegensatz zu Brigitte, die immer herzlich war (wenn sie auch etwas tumb wirkte), hatte Marie ein eiskaltes Herz – wenn eine Maus ins Zimmer gerannt käme, würde sie sie zu Tode trampeln. Sie war die Tochter eines Barons mit einem Stammbaum, der aus allerlei Kroppzeug aus verschiedenen holländischen und deutschen Fürstentümern zusammengestückelt war, und sie kam mir (mit Verlaub) wie jemand vor, in dessen Familie Inzucht oft und früh praktiziert wurde.
Dr.Alkmaar korrigierte sie: »Es bedeutet, dass ich hineingreifen und das Baby drehen muss, bis es mit dem Kopf nach unten liegt. Dabei besteht die Gefahr, dass die Nabelschnur vorfällt, während ich das tue, und später abgedrückt wird. Das Hauptproblem sind die Kontraktionen ihres Uterus, die das Kind mit einer Kraft nach unten pressen, der mein Arm oder der irgend eines anderen Mannes nicht standhalten kann. Ich muss warten, bis ihr Bauch sich entspannt, und es dann versuchen.«
Also warteten wir. Doch selbst in den Phasen zwischen den Wehen war mein Bauch so gespannt, dass Dr. Alkmaar das Kind kein Stückchen bewegen konnte. »Ich habe eine Arznei, die helfen könnte«, sinnierte er, »oder ich könnte sie zur Ader lassen, um sie schwächer zu machen.Aber es wäre besser zu warten, bis sie völlig erschöpft ist. Dann könnte ich eine größere Chance haben.«
Eine weitere Verzögerung – für sie hieß das, herumzustehen und zu warten, dass die Zeit verging, für mich dagegen, Opfer eines grausamen Mordes zu sein und dann wieder zum Leben zu erwachen, immer und immer wieder; allerdings jedes Mal zu einer niedrigeren Form von Leben.
Als dann der Bote hereinplatzte, konnte ich nur wie ein Kartoffelsack daliegen und zuhören, was er sagte.
»Doktor Alkmaar! Ich komme gerade vom Bett des Chevalier de Montluçon!«
» Und warum liegt der neue Botschafter um vier Uhr nachmittags im Bett?«
»Er hat irgendeine Art von Anfall erlitten und braucht dringend Eure Hilfe, um ihn zur Ader zu lassen!«
»Ich bin beschäftigt«, sagte Dr. Alkmaar, nachdem er einen Moment überlegt hatte. Aber ich fand es beunruhigend, dass er auf diese Weise darüber nachdenken musste.
»Eine Hebamme ist unterwegs, um Euch hier abzulösen«, sagte der Bote.
Wie auf ein Stichwort klopfte es an der Tür. Mit einem Schwung, den sie den ganzen Tag noch nicht besessen hatte, schoss Marie hin und riss sie auf, und dahinter stand ein gewisses altes Weib, eine Hebamme von sehr zweifelhaftem Ruf. Durch einen Schleier von Wimpern hindurch konnte ich sehen, wie Marie der Hebamme mit einem kleinen Aufschrei vorgetäuschter Freude die Arme um den Hals warf und ihr etwas ins Ohr murmelte. Die Hebamme hörte zu und erwiderte etwas, hörte zu und erwiderte etwas, drei Mal, bevor sie überhaupt ihre blassgrauen Augen auf mich richtete, und als sie es tat, spürte ich, wie der Tod nach mir griff.
»Erzählt mir mehr über die Symptome«, sagte Dr. Alkmaar, der anfing, sich für diesen neuen Fall zu interessieren.Aus der Art, wie er mich anschaute – starren ohne zu sehen -, spürte ich, dass er dabei war aufzugeben.
Ich brachte die Kraft auf, mich auf einem Ellbogen hochzustützen, und streckte die Hand nach der blutigen Krawatte um Dr. Alkmaars Hals aus. »Wenn Ihr meint, ich sei tot, erklärt mir das!«, sagte ich und verpasste ihm einen heftigen Ruck.
»Es wird noch Stunden dauern, bis Ihr erschöpft genug seid«, antwortete er. »Ich werde Zeit haben, hinüberzugehen und den Chevalier de Montluçon zur Ader zu lassen...«
»Der dann einen weiteren Anfall erleiden wird, und dann noch einen!«, erwiderte ich. »Ich bin nicht dumm. Ich weiß, dass ich, wenn ich so erschöpft bin, dass Ihr das Baby in meinem Bauch umdrehen könnt, zu schwach sein werde, um es herauszupressen. Erzählt mir etwas über die Arznei, die Ihr vorhin erwähnt habt!«
»Doktor, der französische Botschafter liegt vielleicht schon im Sterben! Die Rangordnung schreibt vor, dass...«, setzte Marie an, aber Dr. Alkmaar hob eine Hand, um ihr Einhalt zu gebieten. Zu mir gewandt sagte er: »Es ist nur eine Probe. Es entspannt für eine Weile bestimmte Muskeln, dann vergeht die Wirkung.«
»Habt Ihr schon damit

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