Quicksilver
verlangsamten, bis sie die Sänfte in Eleonores Schlafzimmer abgesetzt hatten.
Diese Generalproben schienen damals eine gute Idee zu sein, da ich die Stärke meines Feindes und die Zahl seiner Spione am Binnenhof nicht kannte. Im Rückblick habe ich ihm alles über meinen Plan erzählt und ihm gegeben, was er brauchte, um einen perfekten Hinterhalt zu legen.
Aber ich nehme schon wieder etwas vorweg. Der Plan sah vor, dass Frau Heppner die Entbindung leiten sollte. Falls das Baby starb und ich am Leben blieb, brauchte kein Wort darüber je aus diesem Zimmer zu dringen. Falls ich starb und das Kind am Leben blieb, käme es unter Eleonores Vormundschaft und würde mein Vermögen erben. Falls wir beide, das Baby und ich, überlebten, würde ich mich ein paar Wochen lang erholen und dann, sobald die offensichtlichen Folgen einer Entbindung meinem Körper nicht mehr anzusehen waren, nach London umziehen. Ich würde das Kind mitnehmen und es für eine verwaiste Nichte oder einen verwaisten Neffen ausgeben, den einzigen Überlebenden irgendeines Massakers in der Pfalz. Es besteht weder ein Mangel an Massakern, unter denen man wählen könnte, noch an Engländern, die eine solche Geschichte, und sei sie auch noch so zusammengestoppelt, begierig aufsaugen würden – vor allem wenn sie von einer Herzogin käme, die ihrem neuen König einen großen Dienst erwiesen hatte.
Ja, das alles klingt absurd. Ich hätte mir nie träumen lassen, dass solche Dinge wirklich passieren, wenn ich nicht nach Whitehall gefahren wäre und (aus der Ferne) gesehen hätte, wie das Gefolge von Hochwohlgeborenen sich dort versammelte, nur um im Schlafzimmer der Königin herumzustehen und den ganzen Tag ihre Vagina anzustarren, so wie Dorfbewohner den Zauberer auf der Bühne, wild entschlossen ihn bei einem Taschenspielertrick zu erwischen.
Ich nahm an, dass meine eigene so bescheidene und gewöhnliche Vagina nie ein so großes und erlesenes Publikum anziehen würde. Deshalb sollte ich eigentlich, indem ich rechtzeitig ein paar einfache Vorbereitungen traf, in der Lage sein, die Dinge zu meiner Zufriedenheit zu regeln, wenn es erst einmal vorbei war.
Jetzt könnt Ihr Euch wieder dem Klartext zuwenden, Doktor, um Euch mit all den herrlichen Empfindungen vertraut zu machen, die mich während der ersten Stunden meinerWehen beschäftigten (ich vermute, es waren mehrere Stunden; zuerst war es draußen dunkel und dann hell). Als meine Fruchtblase platzte und ich wusste, dass die Zeit gekommen war, schickte ich nach den Trägern. Zwischen einzelnen Wehen begab ich mich vorsichtig nach unten und stieg in die Sänfte, die im Seitenflügel des Hauses in einem Raum zu ebener Erde bereitstand. Als ich in dem Kasten drin war, schloss ich die Tür und zog die Vorhänge vor die kleinen Fenster, damit mich keine neugierigen Blicke trafen, während ich über den Platz getragen wurde. Die Dunkelheit und Beengtheit machte mir eigentlich nichts aus, wenn man bedenkt, dass das Baby in meinem Bauch vieleWochen lang mit Schlimmerem gelebt und das, abgesehen von ein paar Fußtritten, geduldig ertragen hatte.
Kurz darauf hörte ich die vertrauten Stimmen der Träger draußen und spürte, wie die Sänfte emporgehoben und für die kurze Reise zum Binnenhof auf der Straße gewendet wurde. Das ging ohne Zwischenfall vonstatten. Ich glaube, dass ich ein wenig gedöst haben muss. Sicher verlor ich, während sie mich die langen Flure des Binnenhofs entlangtrugen, nach einer Weile den Überblick über die Biegungen und Windungen. Doch bald merkte ich, dass die Sänfte auf einem Steinboden abgesetzt wurde und hörte die Träger davongehen.
Ich hob die Hand, legte den Türriegel um und stieß in der Erwartung, die Gesichter von Frau Heppner, Eleonore und Caroline zu sehen, die Tür auf.
Stattdessen blickte ich in das Gesicht von Dr. Alkmaar, dem Hofarzt, einem Mann, den ich ein- oder zweimal gesehen, mit dem ich aber nie gesprochen hatte.
Ich war nicht in Eleonores Gemächern. Es war ein unbekanntes Schlafzimmer, irgendwo anders im Binnenhof. Ein Bett stand bereit – bereit für mich! – und auf dem Boden ein dampfender Wasserbottich, und Stapel zerrissener Laken waren zurechtgelegt worden. In dem Raum waren ein paar Frauen, die ich flüchtig kannte, und ein junger Mann, den ich noch nie gesehen hatte.
Das war eine Falle; aber so schockierend, dass ich nicht wusste, was ich tun sollte. Ich wünschte, ich könnte Euch erzählen, Doktor, dass ich meine fünf Sinne beisammen hatte und
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