Quicksilver
experimentiert?«
»Ja.«
»Und?«
»Es machte mich unfähig, meinen Urin zu halten.«
»Wer hat sie Euch gegeben?«
»Ein wandernder Alchimist, der vor zwei Wochen vorbeikam.«
»Ein Betrüger oder...«
»Er hat einen guten Ruf. Er bemerkte, dass ich bei so vielen schwangeren Frauen im Haus vielleicht Verwendung dafür hätte.«
»War’s der Rote?«
Dr. Alkmaars Augen schnellten von einer Seite zur anderen, bevor er mit einem fast unmerklichen Nicken antwortete.
»Gebt mir die Arznei.«
Es war eine Art Pflanzenextrakt, sehr bitter, aber nach ungefähr einer Viertelstunde lockerte sich alles in meinen Gelenken, und ich wurde ganz benommen, obwohl ich noch gar nicht so viel Blut verloren hatte. So war ich nicht bei vollem Bewusstsein, als Dr.Alkmaar die Drehung vollzog, und das kam mir entgegen, denn es war nicht etwas, was ich gerne bewusst erlebt hätte. Meine Leidenschaft für Naturphilosophie hat ihre Grenzen.
Ich hörte, wie er zu der Hebamme sagte: »Jetzt liegt das Baby mit dem Kopf nach unten, wie es sein soll. Gottlob ist die Nabelschnur nicht herausgetreten. Der Scheitel des Kindes ist jetzt zu sehen, und wenn die Wirkung der Arznei in ein paar Stunden nachlässt, werden die Wehen wieder einsetzen und sie wird, so Gott will, normal gebären. Bedenkt, dass sie spät gebiert; das Kind ist voll entwickelt; wie es in solchen Fällen häufig passiert, hat es bereits im Mutterleib den Darm entleert.«
»Ich habe so etwas schon gesehen«, sagte die Hebamme leicht beleidigt.
Dr. Alkmaar kümmerte sich nicht darum, ob sie beleidigt war oder nicht: »Das Baby hat ein bisschen davon in den Mund bekommen. Es besteht die Gefahr, dass es das bei seinem ersten Atemzug in die Lunge einsaugt.Wenn das passiert, wird es das Ende der Woche nicht erleben. Es ist mir gelungen, mit dem Finger in den Mund des Kleinen zu gelangen und einen Großteil herauszuholen, aber Ihr müsst daran denken, es an den Füßen hochzuhalten, wenn es draußen ist, und den Mund noch einmal zu reinigen, bevor es einatmet.«
»Ich schulde Euch Dank für Eure Weisheit, Doktor«, sagte die Hebamme verbittert.
»Ihr habt in seinem Mund herumgetastet? Im Mund des Babys? «, wollte Marie von ihm wissen.
»Genau das habe ich gerade gesagt«, erwiderte Dr. Alkmaar.
»War er... normal?«
»Was meint Ihr damit?«
»Der Gaumen..., der Kiefer...?«
»Außer dass er voller Kindspech war«, sagte Dr. Alkmaar, während er seine Tasche mit den Lanzetten nahm und seinem Assistenten reichte, »war er normal. Jetzt gehe ich den französischen Botschafter zur Ader lassen.«
»Nehmt ein paar Viertel für mich, Doktor«, sagte ich. Als sie diesen schwachen Scherz hörte, drehte Marie sich um und warf mir einen unbeschreiblich bösen Blick zu, während sie die Tür hinter dem weggehenden Doktor schloss.
Das alte Weib setzte sich unmittelbar neben mich, benutzte eine Kerze auf dem Nachttisch, um seine Lehmpfeife anzuzünden, und machte sich daran, die Luft in dem Raum durch Rauchkringel zu ersetzen.
MariesWorte waren eine verschlüsselte Botschaft, die ich verstanden hatte, kaum dass sie meine Ohren erreicht hatte. Das ist ihre Bedeutung:
Vor neun Monaten geriet ich am Ufer der Meuse in Schwierigkeiten. Als Mittel, um aus dieser misslichen Lage herauszukommen, schlief ich mit Étienne d’Arcachon, dem Sprössling einer sehr alten Familie, die berüchtigt dafür ist, ihre körperlichen Defekte weiterzugeben, als wären sie Abzeichen und Embleme auf ihrem Familienwappen. Jeder, der in den Königspalästen vonVersailles,Wien oder Madrid war, hat die gespaltenen Lippen und Gaumen, die seltsam geformten Kieferknochen und die verhutzelten Schädel dieser Leute gesehen; König Carlos II. von Spanien, der auf drei verschiedene Wege mit den d’Arcachons verwandt ist, kann nicht einmal feste Nahrung zu sich nehmen. Immer wenn in eine dieser Familien ein Kind hineingeboren wird, ist das Erste, wonach jeder schaut, praktisch noch bevor es zum ersten Mal atmen darf, der Aufbau von Mund und Kiefer.
Ich war froh zu hören, dass mein Sohn von solchen Defekten frei sein würde. Aber dass Marie gefragt hatte, bewies, dass sie eine Vorstellung davon hatte, wer der Vater war. Aber wie war das möglich? »Das ist doch klar«, werdet Ihr vielleicht sagen, »dieser Étienne muss vor jedem, der ihm zuhörte, mit der Eroberung der Gräfin de la Zeur geprahlt haben, und neun Monate sind mehr als genug Zeit dafür, dass das Gerede Marie zu Ohren kommen konnte.« Aber Ihr kennt Étienne nicht. Er
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