Quicksilver
Paris großgezogen. In einer anderen Hinsicht ist es jedoch sehr wohl von Belang, denn die neuste Nachricht von jenseits des Meeres besagt, dass seinVater Derry eingenommen hat und, in dem Versuch, sein Königreich für seinen Sohn zurückzugewinnen, auf einen anderen Ort in Irland zumarschiert. Und das alles wegen etwas, das in einer bestimmten Gebärstube inWhitehall geschah oder nicht geschah.
Aber ich beleidige Eure Intelligenz, indem ich auf diesem Punkt herumreite. Habt Ihr irgendwelcheWechselbälge oder Bastarde in Sophies Linie gefunden? Habt Ihr diese Fakten bekannt gemacht? Natürlich nicht.Verbrennt das aber auf jeden Fall und streut die Asche in diesen Kanal, von dem Ihr dauernd schreibt, vergewissert Euch nur zuvor, dass sich unter Eurem Fenster keine übellaunigen Gondoliere befinden.
Als christliche Adlige, die nie verheiratet war, konnte ich nicht schwanger sein und konnte kein Kind haben. Eleonore wusste das genauso gut wie ich.Wir redeten Stunden um Stunden darüber, und mein Bauch wurde immer dicker.
Meine Schwangerschaft war wohl kaum ein Geheimnis – verschiedene Diener und Frauen aus dem Hofstaat wussten Bescheid -, aber ich konnte es später leugnen. Klatschbasen würden wissen, dass ich log, aber am Ende spielen sie keine Rolle. Falls das Baby, verhüte Gott, tot geboren wäre oder im Säuglingsalter stürbe, wäre es, als hätte es das Kind nie gegeben.Wenn das Baby jedoch gediehe, würde die Angelegenheit kompliziert.
Diese Komplikationen schreckten mich letztlich nicht.Wenn ich in Versailles eins gelernt habe, dann, dass Personen von Stand genauso viele Möglichkeiten haben, ihre Affären, Perversionen, Schwangerschaften, Fehlgeburten, Entbindungen und Bastarde zu vertuschen wie Seeleute Knotenarten kennen. Während die Monate meiner Schwangerschaft langsam verstrichen, schwerfällig, aber unerbittlich wie eins von Huygens’ Pendeln, hatte ich einige Zeit, darüber nachzudenken, für welche Lüge ich mich entscheiden würde, wenn mein Kind geboren war.
Ziemlich am Anfang, als mein Bauch gerade mal ein bisschen angeschwollen war, erwog ich, das Baby wegzugeben. Wie Ihr wisst, gibt es jede Menge finanziell gut ausgestattete »Waisenhäuser«, in denen uneheliche Kinder von Standespersonen aufgezogen werden. Oder wenn ich lange genug suchte, würde ich vielleicht ein anständiges Paar finden, das unfruchtbar und mehr als glücklich wäre, einen gesunden Säugling in seinem Haus willkommen zu heißen.
Doch vom ersten Tag an, als das Baby in mir zu strampeln begann, verblasste der Gedanke, es wegzugeben, zu einer Abstraktion und verschwand nach kurzem ganz aus meinem Kopf.
Als ich in den siebten Monat kam, schickte Eleonore nach einer gewissen Frau Heppner aus Eisenach. Frau Heppner traf ein paar Wochen später ein und behauptete, eine Kinderfrau zu sein, die sich um Prinzessin Caroline kümmern und sie die deutsche Sprache lehren sollte. Und das tat sie; in Wirklichkeit ist Frau Heppner jedoch eine Hebamme. Sie half schon, Eleonore zur Welt zu bringen, so wie seitdem viele andere Babys adliger und gemeiner Abstammung. Eleonore sagte, sie sei loyal, und auf ihre Diskretion könne man sich verlassen.
Der Binnenhof ist zwar, gemessen an den Maßstäben französischer Paläste, alles andere als luxuriös, enthält aber mehrere Zimmerfluchten, die jeweils so ausgestattet sind, dass ein königlicher Hausgast dort zusammen mit den Hofdamen, der Kammerfrau etc. wohnen kann. Wie Euch aus meinen früheren Briefen klar sein wird, hatte Prinzessin Eleonore nicht genug Hofstaat, um eine solche Suite ganz zu bewohnen; sie hatte ein paar Diener, die aus Eisenach hergekommen waren, und zwei holländische Mädchen, die ihr als Akt christlicher Nächstenliebe aus Wilhelms Dienstpersonal zugewiesen worden waren. Und jetzt hatte sie Frau Heppner. Damit blieb immer noch ein Raum in ihrer Suite leer. Und so begann Frau Heppner, wenn sie nicht Caroline Unterricht gab, die Bettlaken und andere für die Hebammenkunst notwendige Utensilien herzurichten und diesen überzähligen Raum zur Gebärstube zu machen.
Der Plan sah vor, dass ich, wenn die Wehen anfingen, in einer Sänfte über den Platz zum Binnenhof getragen und direkt zu Eleonores Suite gebracht würde.Wir übten das, ob Ihr es glaubt oder nicht: Ich stellte zwei muskulöse Holländer als Träger an und ließ sie mich in den letzten Wochen meiner Schwangerschaft einmal am Tag von Huygens’ Haus zum Binnenhof tragen, wobei sie nicht anhielten oder ihr Tempo
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