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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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ungeheure Menge. Er war sich sogar ziemlich sicher, dort angelangt zu sein, wo Isaac schon vor mehreren Monaten gewesen war – aber Isaac war zu Hause in Woolsthorpe, hundert Meilen entfernt und ihm mittlerweile zweifellos um Jahre voraus.
    Mit der Entschlossenheit eines Gefangenen, der sich durch eine Wand kratzt, aß er seine Kartoffeln mit Hering jedes Mal so weit auf, bis der Boden des Tellers zum Vorschein kam. Das Waterhousesche Familienporzellan war von echten Anfängern in Holland hergestellt worden. Nachdem James I. den Export von unverarbeitetem englischem Tuch in die Niederlande verboten hatte, hatte Drake begonnen, es dorthin zu schmuggeln, was leicht zu machen war, da es in der Stadt Leiden von englischen Pilgern wimmelte. So hatte er das erste von mehreren, sich dem Schmuggel verdankenden Vermögen gemacht, und dies auf eine Weise, die dem Herrn wohlgefällig war, nämlich indem er kühn den Bemühungen des Königs trotzte, sich in den Handel einzumischen. Außerdem hatte er in Leiden ein Pilgermädchen kennen gelernt und 1617 geheiratet, und er hatte den Gläubigen, die an einem Schiff interessiert waren, mehrfach Spenden zukommen lassen. Kurz bevor sich die dankbare Gemeinde auf der Mayflower einschiffte, die in das sonnige Virginia ging, hatte man Drake und seiner frisch gebackenen Ehefrau Hortense dieses Delfter Keramikservice geschenkt. Die Leute hatten es offenbar selbst hergestellt, und zwar aus der Überlegung heraus, dass man tunlichst wissen sollte, wie man Dinge aus Ton machte, wenn man an die Ufer Amerikas watete. Es handelte sich um schwere, derbe, weiß glasierte Teller mit einer Inschrift in krakeligen blauen Buchstaben:
    DU UND ICH SIND NICHTS ALS ERDE.
    Während er sie den fünfunddreißigsten Tag in Folge durch ein Miasma der Körperflüssigkeiten von Hering anstarrte, verkündete Daniel plötzlich: »Ich habe mir überlegt, dass ich, so Gott will, John Wilkins besuchen gehen könnte.«
    Wilkins und Daniel hatten miteinander korrespondiert, seit Daniel vor fünf Jahren in jenem unglücklichen Moment im Trinity College eingetroffen war, als man Wilkins dort soeben für immer hinausgeworfen hatte.
    Der Name Wilkins löste keine Schimpfkanonade aus, was bedeutete, dass Daniel schon so gut wie dort war. Aber es waren gewisse Formalitäten zu absolvieren. »Zu welchem Zweck?«, fragte Drake und hörte sich dabei an wie eine Orgel mit zahlreichen verstopften Ventilen, während ihm die Worte teils aus dem Mund, teils aus der Nase kamen. Er äußerte jede Frage, als handele es sich um eine schlichte Feststellung. Zu welchem Zweck wurde im gleichen Ton gesagt wie Du und ich sind nichts als Erde.
    » Meine Absicht ist es zu lernen,Vater, aber mir scheint, dass ich aus den Büchern, die es hier gibt, alles gelernt habe, was es daraus zu lernen gibt.«
    »Und was ist mit der Bibel.« Eine ausgezeichnete Entgegnung von Drake.
    »Bibeln gibt es überall, der Herr sei gelobt, aber es gibt nur einen Reverend Wilkins.«
    »Er hat doch in dieser Staatskirche in der Stadt gepredigt, nicht wahr.«
    »Richtig. St. Lawrence Jewry.«
    »Warum musst du dann fortgehen.« In die Stadt war es eine Viertelstunde zu Fuß.
    »Die Pest, Vater – ich glaube nicht, dass er in den vergangenen Monaten einen Fuß nach London gesetzt hat.«
    »Und was ist mit seiner Gemeinde.« Um ein Haar hätte Daniel zurückgegeben, Ach, du meinst die Royal Society?, was in den meisten anderen Häusern, nicht jedoch hier, ein Bonmot gewesen wäre.
    »Auch sie sind alle weggelaufen, Vater, soweit sie nicht tot sind.«
    »Hochkirchenleute«, sagte Drake, als erkläre das alles. »Wo ist Wilkins jetzt.«
    »In Epsom.«
    »Er ist bei Comstock. Was denkt er sich nur dabei.«
    »Es ist kein Geheimnis, dass ihr beide auf verschiedenen Seiten des Zauns steht, Vater.«
    »Des goldenen Zauns, den Laud um den Tisch des Herrn errichtet hat! Jawohl.«
    »Wilkins tritt ebenso leidenschaftlich für Toleranz ein wie du. Er hofft, die Kirche von innen reformieren zu können.
    »Ja, und kein Mensch – abgesehen von einem Erzbischof – könnte weiter innen stehen als John Comstock, der Earl von Epsom. Aber wieso willst du dich in solche Angelegenheiten hineinziehen lassen.«
    »Wilkins widmet sich in Epsom keinen religiösen Kontroversen – er widmet sich der Naturphilosophie.«
    »Scheint mir dafür ein seltsamer Ort.«
    »Der Sohn des Earls, Charles, konnte wegen der Pest nicht Cambridge besuchen, deshalb sind Wilkins und noch ein paar andere

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