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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Mitglieder der Royal Society dort, um als Lehrer zu fungieren.«
    »Aha! Dann ist mir alles klar. Es handelt sich um eine Gefälligkeit.«
    » Ja.«
    »Was hoffst du eigentlich von Reverend Wilkins zu lernen.«
    »Was immer er mir beizubringen wünscht. Über die Royal Society steht er mit sämtlichen hervorragenden Naturphilosophen der Britischen Inseln und auch mit vielen auf dem Kontinent in Verbindung.«
    Drake brauchte einige Zeit, um darüber nachzudenken. »Du behauptest also, dass du meine finanzielle Unterstützung brauchst, um dich mit einem hypothetischen Wissen vertraut zu machen, von dem du annimmst, dass es erst vor kurzem aus dem Nichts entstanden ist.«
    »Ja, Vater.«
    »Ein ziemlicher Glaubensakt, nicht wahr.«
    »Nicht so sehr, wie du vielleicht denkst. Mein Freund Isaac – ich habe dir von ihm erzählt – hat von einem ›zeugenden Geist‹ gesprochen, der alle Dinge durchdringt und erklärt, warum aus Altem Neues entstehen kann – und wenn du mir nicht glaubst, dann frage dich selbst, wie können aus Mist Blumen wachsen?Warum verwandelt sich Fleisch in Maden und eine Schiffsplanke in Würmer? Warum entstehen Bilder von Muscheln in Felsen, die weit von jedem Meer entfernt sind, und warum wachsen neue Steine auf Äckern, nachdem die Ernte des Vorjahrs ausgegraben worden ist? Hier wirkt eindeutig irgendein Ordnungsprinzip, es durchdringt unsichtbar alle Dinge und erklärt, warum die Welt zu Neuem imstande ist – warum sie auch etwas anderes kann als immer nur verfallen.«
    »Und dennoch verfällt sie. Sieh doch zum Fenster hinaus! Hör nur das Läuten der Glocken. Vor zehn Jahren hat Cromwell die Kronjuwelen eingeschmolzen und allen Menschen Religionsfreiheit gewährt. Heute herrscht ein verkappter Papist 7 und Lakai des Antichristen 8 über England, aus dem Gold Englands werden riesige Punsch-Schüsseln für die königlichen Orgien gemacht, und wir von der Versammelten Kirche müssen heimlich Gottesdienst halten, als wären wir Frühchristen im heidnischen Rom.«
    »Ein Aspekt des zeugenden Geistes erfordert gründliches Studium, nämlich dass er fehlgehen kann«, erwiderte Daniel. »In einem bestimmten Sinne muss das pneuma, das am lebendigen Fleisch von Pestopfern Beulen entstehen lässt, demjenigen verwandt sein, das dafür sorgt, dass nach dem Regen Pilze aus der Erde schießen, doch das eine hat Auswirkungen, die wir böse, und das andere hat Auswirkungen, die wir gut nennen.«
    »Du glaubst, Wilkins weiß mehr davon.«
    »Eigentlich wollte ich damit gerade erklären, warum es überhaupt Menschen wie Wilkins und seinen Club gibt, den er mittlerweile Royal Society nennt, sowie andere derartige Gruppen wie etwa Monsieur Montmors Salon in Paris -«
    »Aha. Du vermutest, dass ebendieser Geist auch im Verstand dieser Naturphilosophen wirkt.«
    »Ja, Vater, und auch im Boden der Nationen, die in so kurzer Zeit so viele Naturphilosophen hervorgebracht haben – sehr zum Missvergnügen der Papisten.« Ein kleiner Seitenhieb gegen das Papsttum dürfte seine Chancen nicht schmälern. »Und so wie der Bauer sich auf das stetige Wachstum seiner Pflanzen verlassen kann, so kann auch ich sicher sein, dass von solchen Leuten in den letzten Monaten viel Neues geleistet worden ist.«
    »Wo aber doch das Ende aller Tage immer näher rückt -«
    »Erst vor ein paar Monaten, bei einer der letzten Zusammenkünfte der Royal Society, hat Mr. Daniel Coxe gesagt, man habe in einer Kalkgrube bei Lime Quecksilber gefunden, das dort wie Wasser geflossen sei. Und Lord Brereton hat gesagt, in einer Herberge in St. Alban’s habe man Quecksilber in einer Sägegrube fließen sehen.«
    »Und was, glaubst du, hat das zu bedeuten.«
    »Vielleicht ist dieses vielgestaltige Gedeihen – die Naturphilosophie, die Pest, die Macht von König Ludwig, Orgien in Whitehall, Quecksilber, das aus dem Erdinneren hervorsprudelt – eine notwendige Vorbereitung auf den Weltuntergang – der zeugende Geist, der wie eine Flut anschwillt.«
    »So viel liegt auf der Hand, Daniel. Ich frage mich allerdings, ob es einen Sinn hat, deine Studien zu fördern, wo wir so nahe davor stehen.«
    »Würdest du einen Bauern bewundern, der seine Felder von Unkraut überwuchern ließe, nur weil das Ende nahe ist?«
    »Nein, natürlich nicht. Ich verstehe durchaus, worauf du hinauswillst.«
    »Wenn wir die Pflicht haben, auf die Zeichen der Endzeit zu achten, dann lass mich gehen, Vater. Denn wenn die Zeichen Kometen sind, werden es die Astronomen als

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